Zum Tournee-Auftakt: Fünf entscheidende Fragen zu den Rolling Stones

Die Rolling Stones kommen nach Zürich. Am Mittwoch, 20. September gastiert die britische Superband im Rahmen ihrer Tour im Letzigrund Stadion. Doch wie gesund (oder wie krank) sind die Stones? Fünf entscheidende Fragen…

293 Jahre. So alt wird kein Schwein, geschweige denn ein Mensch. Eine Band schon, die Rolling Stones zum Beispiel. 293 Jahre toben über die Bühne. Die Falten-Derwische Mick Jagger (74), Keith Richards (73), Ron Wood (70) und Charlie Watts (76).

Jeder flieht vor dem Alter. Nur so sind die abenteuerlichen Vergleiche zu erklären, die über die wundersame Jugendlichkeit des Alters von heute angestellt werden. Wer 50 ist, fühlt sich wie 30. Was früher 40 war, ist heute 60. Dann sind da noch die vier Männer, die uns weismachen, das 70 von heute ist wie das 20 von früher. 76, 74, 73 und 70. Wenn nichts dazwischen kommt, „woran man in diesem Alter schon denken muss“ (Helmut Schümann im Berliner „Tagesspiegel“), beginnen die vier Herren am Samstagabend in Deutschland ihre grosse Europa-Tournee.

Immer noch scharf auf die grosse Kohle?

Warum arbeiten Männer noch in diesem Alter? Die Angst vor Altersarmut dürfte es kaum sein, denn jeder der vier Herren schwimmt im Geld wie Dagobert Duck. Mick Jagger wird auf 325 Millionen Euro geschätzt, Keith Richards auf 280 bis 300 Millionen, Schlagzeuger Charlie Watts auf 275 Millionen und Ron Wood, der erst seit Mitte der 1970er dabei ist, immerhin noch auf 145 Millionen.

Andererseits ist gerade der äusserst geschäftstüchtige Mick Jagger dafür bekannt, dass er nie genug kriegen kann. Und mit einer Tournee lässt sich eben besonders gut und viel verdienen.

Ein Redakteur des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags nimmt das zum Anlass für eine persönliche Abrechnung mit den Rolling Stones: „82’000 Menschen haben sich von den unverschämt hohen Ticketpreisen nicht abschrecken lassen und werden am Sonnabend in den Hamburger Stadtpark pilgern… Nur ich werde nicht dabei sein… Die Stones werden immer teurer, aber nicht besser. Die gigantischen Bühnen und die gute Laune davor vernebeln den Blick dafür, dass selbst Legenden hin und wieder auch schlechte Konzerte abliefern.“

Vielleicht geht es ja gar nicht mal so sehr um eine perfekte Wiedergabe der alten Stones-Hits, sondern um den wahren Inhalt der Performance. Die vier alten Männer auf der Bühne gelten als unumstösslicher Beweis des uralten Glaubenssatzes, wonach früher alles besser war. Die Frauen, der Sex, der Rock’n‘ Roll. Mit jedem Riff hämmert Keith Richard seinen gleichaltrigen Fans das Mantra ein: „Je älter ich werde, umso besser war ich früher.“ So wird der „ganze Totentanz“, wie ein Kritiker despektierlich die Tournee nennt, zu einem geschmeidigen Balsam für die betagte Seele, oder so ähnlich.

Wie gesund (oder wie krank) sind die Stones?

Die Frage ist nur: Stehen die vier alten Männer die Strapazen von 13 Konzerten in zwei Monaten rein physisch durch? Man kennt ja genügsam ihre wüste Vergangenheit, die alles andere als gesund war. Deshalb ist auch bei dieser Tour der fünfte Mann der Band dabei: Dr. Richard Dawood, der Leibarzt der Rolling Stones. Hoffen wir, dass er nicht zum Einsatz kommt. Wer allerdings die letzten Konzerte der abgewrackten Rock- und Blueslegende Johnny Winter (1944 bis 2014) miterleben musste, wie der in Bühnenpausen im Sauerstoffzelt wieder aufgepäppelt wurde, der kann auch bei einem Typen wie Keith Richards das Schlimmste befürchten.

Er ist der Gesichtsälteste der Truppe. Charakterkopf, sagen die einen. Die anderen erinnert seine zerfurchte Gesichtslandschaft an einem trockengelegten Sumpf. „Der hat diese mumifizierte Tiefenschärfe, eine literarische, grosse Figur!“, schwärmt der Konzertveranstalter Marek Liebermann. Allein die Tatsache, dass Keith Richards immer noch unter den Lebenden weilt, gilt seit Jahren als medizinisches Wunder.

Steht Keith Richards die Tour durch?

So schrieb am 18. Dezember 2013 das „Hamburger Abendblatt“: „Sensation! Keith Richards ist 70 geworden.“ Und enthüllte: „… wobei Alkohol für ihn nie zu den Drogen zählte. Der kam immer obendrauf.“

Der Gitarrist und musikalische Kopf der Stones wurde wegen Heroinbesitzes verurteilt. Das hat ihn jedoch nicht abgehalten, alles in sich reinzuziehen, was der Markt ergab: Heroin, Kokain, LSD und Marihuana. Und natürlich Alkohol. Manchmal konnte man nicht so genau erkennen, ob der gute Keith nun zugedröhnt oder nur sternhagelvoll war.

In der Frühzeit der Band prophezeite man ihm – Richards war erst 25 – nur noch ein kurzes Leben. Sein Kollege Brian Jones, den man wegen seiner Drogenexzesse aus der Band geworfen hatte, war 1969 im Drogen- und Alkoholrausch in seinem Swimming Pool ertrunken. „Ich muss gestehen, ich war sehr daran interessiert, was ich nehmen und dann machen konnte. Ich habe meinen Körper als Labor gesehen – ich habe mir alles Mögliche eingeworfen, um zu sehen, was passiert. Ich war fasziniert davon“, gestand Keith Richards in einem Interview.

Richtig erkrankt ist er freilich nie. Gute Gene? Unfälle gab es schon, umständehalber. 2006 war er im Rausch auf eine Palme geklettert und abgestürzt, dabei zog er sich eine schwere Schädelverletzung zu. Und 1998 war er in seiner Bibliothek von der Leiter gefallen, nachdem er einige Drinks zu viel gekippt hatte. Er brach sich zwei Rippen, ein Tourneestart musste abgesagt werden.

Mit den harten Drogen hat er aufgehört. Gut, einen Joint genehmigt er sich schon noch, kann ja nie schaden, meint er. Ausserdem soll Cannabis gut gegen Demenz sein, hat er gehört. Trinken tut er auch nicht mehr, sein saufender Kollege Ron Wood war ihm Abschreckung genug.

Hat Ron Wood den Lungenkrebs besiegt?

Der ist mittlerweile auch so gut wie trocken, die letzte seiner zahlreichen Suchttherapien war wohl erfolgreich gewesen. Trotzdem ist er alles andere als gesund. Vor einigen Monaten wurde bei ihm Lungenkrebs festgestellt. Im Frühjahr hatte der Stones-Arzt Ron Wood – 50 Jahre lang Raucher – untersucht, später sagte er in „Bild“: „Dann kam er mit der Nachricht um die Ecke, dass ich diese Supernova in der Lunge habe, die mir den linken Lungenflügel wegbrennt.“

Der Krebs hat offenbar noch nicht gestreut, Wood wurde operiert. Eine Chemotherapie lehnte er ab. „Ich wollte meine Haare nicht verlieren. Diese Haare sollten bleiben, wo sie sind.“ Heute gibt sich der Patient optimistisch, er glaubt, dass er es geschafft hat, er habe aber schon immer einen „sehr starken Schutzengel“ gehabt.

Auch Charlie Watts, der Schlagzeuger der Stones, hat eine Tumorerkrankung überstanden. Vor 13 Jahren hatte man bei ihm Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Watts unterzog sich im Londoner Royal Marsden-Krankenhaus einer Strahlentherapie – und besiegte den Krebs. Es wäre auch eine gnadenlose Ironie des Schicksals gewesen, wenn ausgerechnet er die Krankheit nicht überstanden hätte.

Charlie ist der Ruhepol der Band. Ein wahrer Gentleman alter britischer Schule, seit 40 Jahren mit Ehefrau Shirley verheiratet. Er liebt massgeschneiderte Anzüge und züchtet auf seinem Landsitz in Devon Pferde. Er hat nie getrunken und mit dem Rauchen bereits in den 60er-Jahren aufgehört.

Charlie sieht so alt aus wie er ist, seine souveräne Gelassenheit ist ihm perfekt ins Gesicht geschrieben. Doch er kann auch anders. Da gibt es die hübsche Geschichte, als Mick Jagger bei einem Hotel-Gelage stockbesoffen im Zimmer von Charlie Watts angerufen hat: „Wo ist mein Drummer? Ich will meinen Drummer!“ Was dann geschah, schilderte die „Süddeutsche Zeitung“ so: „Charlie steht auf, kleidet sich sorgfältig an, überprüft im Spiegel noch mal sein Aussehen, fährt hinunter in die Lobby zu Mick Jagger, packt ihn am Kragen, tunkt ihn angeblich sogar in den zerfledderten Lachs und gibt ihm Bescheid: ,Nenn mich nie wieder ‚deinen‘ Drummer. Du bist mein gottverdammter Sänger.'“

Damit wären wir beim Star der Band. Bei der kapriziösen Diva, die Keith Richards bisweilen „Madame Brenda“ nennt, oder „Ihre Majestät“. Mick Jagger gilt als der meist begnadete Narzisst der Welt. Er kann gar nicht anders als sich zu produzieren, beim Auftritt wie im wahren Leben. Mick liebt nicht die Show, er ist die Show.

Der 74-Jährige stolziert immer noch wie ein Gockel über die Bühne. Doch die wilden Zeiten mit Kokain, gelegentlich Heroin, Zigaretten, Alkohol, allerlei anderer Drogen sind vorüber. Mick ist Vegetarier geworden, er braucht seinen Schönheitsschlaf und hilft im Gesicht mit Kaviar-Creme von „La Prairie“ und der berühmten „Creme de la Mer“ nach. Zur Nachtruhe (acht Stunden) trägt er doppelt Augencreme auf!

Ist Mick Jagger noch ein guter Hahn?

Er hält sich mit Ballett, Yoga, Pilates und Joggen fit. Bei seiner Bühnenshow legt er rund 20 Kilometer zurück. Sein Hüftumfang beträgt nach wie vor 71 Zentimeter. Manchmal weist er beiläufig darauf hin, dass ein guter Hahn selten fett werde.

Seine Verehrerinnen – auch sie sind in die Jahre gekommen – zitieren verschämt eine Aussage der ehemaligen Jagger-Freundin Carla Bruni, wonach der gute Mick über 4’000 Frauen gehabt habe. Oder waren es 40’000? Egal, der Mann ist eine einschlägige Legende. „Nicht nur Satisfaction, sondern auch gesundes Körpertraining!“, so beschreibt „Bild“ Jaggers Lieblingsbeschäftigung.

Keine Frage, Mick Jagger wird wieder über die Bühne toben, singen, brüllen, schreien. „Hey you, get off of my cloud.“ Er muss aber keine Angst haben, dass sich irgendjemand neben ihn auf seine Wolke setzt. Denn da unten im Publikum „verstauchen sich die Alten die Knöchel auf dem Rasen des Stadtparks, weit entfernt von der Bühne, zu weit für die abnehmende Sehkraft“, schreibt ein Scherzkeks vom NDR, der in der Veranstaltung eine ideale Plattform für Sanitätshäuser sieht, um „für Stützstrümpfe und Rollatoren zu werben.“

Natürlich werden sie alle kommen, die jungen Alten, die über 60 sind, was bekanntlich einem früheren 40er entspricht, und die 70er, die eigentlich 20 sind oder zumindest so auftreten. Die ganze grosse Familie: die Stones auf der Bühne, ihr Volk unten im Park. Denn, so der NDR, „was soll man tun, wenn man schon mehr als ein halbes Jahrhundert miteinander verbracht hat?“

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