Dan Searle von den Architects: «Mein Leben ist auseinandergebrochen»

Holy Hell“ ist das erste Architects-Album ohne den im August 2016 verstorbenen Tom Searle. Sein Bruder Dan, Drummer der Band, spricht im Interview über die schwere Zeit nach Toms Tod.

„Holy Hell“ ist kein gewöhnliches Album der aus Brighton in England stammenden Metal-Band Architects. Es ist das erste ohne den Gitarristen und Hauptsongwriter Tom Searle (1987-2016), der im August 2016 einem Krebsleiden erlag. Sein Bruder Dan Searle, Drummer der Band, erzählt im Interview, wie ihm die Arbeit an „Holy Hell“ geholfen hat, seine Trauer zu überwinden.

„Holy Hell“ ist das erste Album, dass Sie ohne Ihren Bruder Tom schreiben mussten. Ist das komplette Material darauf neu oder haben Sie auf alte Ideen von Tom zurückgreifen können?

Dan Searle: Auf dem Album sind zwei komplette Songs, die Tom und ich kurz nach der Veröffentlichung unseres letzten Albums geschrieben haben. Ich wollte, dass er so weit wie möglich ein Teil von „Holy Hell“ wird. Ich glaube, es gibt nur einen Song, zu dem er nichts beigetragen hat. Es sind aber oft kleine Parts hier und da, die ich aus seinen Demos herausgenommen habe und die im Hintergrund zu hören sind.

Das letzte Album trug den Titel „All Our Gods Have Abandoned Us“. Auch mit diesem Album bleiben Sie den religiösen Methapern treu.

Searle: Für mich geht es da viel um den Kontext, indem die Alben geschrieben wurden. Ich bin kein Christ, aber ich habe einen spirituellen Teil in meinem Leben, auch wenn ich nicht sagen würde, dass ich einer bestimmten Religion folge. „All Our Gods Have Abandoned Us“ wurde geschrieben, während mein Bruder mit Krebs und seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert war. Und dieses Album entstand in der Folge dessen und während ich mit seinem Tod umgehen musste. Wer entscheidet also über Leben und Tod? Die Begriffe Himmel oder Hölle werden oft als Metaphern genutzt – auch in biblischen Texten. Ich glaube, man hat diese Begriffe vielleicht in der Vergangenheit zu wörtlich genommen. Ich wollte hinter die wörtliche Bedeutung sehen und herausfinden, ob diese Metaphern lehrreich sein können.

Sehen Sie das Album als Monument für Ihren verstorbenen Bruder und als Zeugnis dafür, wie Sie seinen Tod verarbeitet haben?

Searle: Exakt. Dieses Album ist für Tom und natürlich war es eine Möglichkeit für mich, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Wir haben dieses Album für ihn geschrieben, um etwas ihm zu Ehren zu erschaffen. Etwas, das er lieben würde und worauf er stolz gewesen wäre. Aber gleichzeitig ein Album, mit dem diese Band in die Zukunft vorangehen kann.

Damit gehen Sie auf ein sehr persönliches Level. Zuvor haben Sie sich textlich sehr viel mit gesellschaftlichen oder Umwelt-Problemen auseinandergesetzt.

Searle: Ein Songwriter sollte immer über die Dinge schreiben, die in seinem Leben den grössten Einfluss haben. In der Vergangenheit waren das diese Themen – weshalb wir sehr wütende Alben geschrieben haben. Jetzt fühlt es sich schlicht natürlich an, über den Tod meines Bruders und über meine Trauer zu schreiben. Die anderen Themen sind in den Hintergrund gerutscht, weil ich auf meine persönlichen Probleme konzentriert war. Als mein Bruder uns verlassen hat, fühlte es sich an, als würde mein Leben zusammenbrechen. Da war einfach kein Platz mehr, sich Gedanken über einen Donald Trump oder den Brexit zu machen. Natürlich fühle ich immer noch mit allen, die unter politischer Ungerechtigkeit zu leiden haben und ich bin immer noch sehr traurig über die Ungleichheit auf der Welt. Dennoch hätte es sich für mich komisch angefühlt, nicht über Persönliches zu schreiben.

Dennoch rückt der Brexit unaufhaltsam näher und wird womöglich einen grossen Einfluss auf Ihr Leben haben.

Searle: Um ehrlich zu sein, habe ich den Brexit langsam satt. Wir sollten die Dinge in unserem Leben akzeptieren, auf die wir keinen Einfluss haben und die ändern, die wir kontrollieren können. Wenn es ein neues Referendum geben würde, würde ich für den Verbleib stimmen. Wenn es keine neue Wahl gibt, dann kann ich nicht mehr viel dagegen machen. Falls der Brexit irgendeinen negativen Einfluss auf mich oder meine Band haben wird, dann werden wir das Beste daraus machen. Aber ich erlaube nicht, dass es mich nachts wachhält und ich werde auch nicht meine Energie auf Dinge verschwenden, die nicht in meiner Hand liegen. Das Ganze ist einfach ein völliges Desaster geworden. Viele Menschen, die dafür gestimmt haben, wussten nicht, worauf sie sich da einlassen. Und jetzt bezahlen sie den Preis.

Viele Menschen scheinen sich aber nicht mehr mit Politik auseinandersetzten zu wollen. Sie wollen eine einfache Antwort auf eine komplexe Frage.

Searle: Das war meiner Meinung nach der Grund dafür, dass die Leute für den Brexit gestimmt haben. Sie wollten einfach etwas anderes ausprobieren, weil sie das Gefühl hatten, das die Dinge schlecht stehen. Aber das ist eine sehr gefährliche Art der Veränderung. Die grosse Frage ist jetzt, wie können wir in einer Demokratie leben, wenn wir von Medien manipuliert werden, die einige sehr reiche Individuen besitzen, die ihre eigene Agenda verfolgen. Wie werden wir die ganze Propaganda los, sodass nur die Wahrheit übrig bleibt. Aber das ist eine sehr schwierige Frage und meiner Meinung nach, sollte es eine Regierungseinrichtung geben, die einen Überblick darüber hat, was an die Öffentlichkeit kommuniziert wird, sodass die öffentliche Meinung nicht voreingenommen ist. Ich wünschte, ich hätte eine Antwort darauf. Wir arbeiten aber nicht mehr gemeinsam an einer Lösung, sondern bekämpfen uns nur noch. Das sollte das Erste sein, mit dem wir aufhören. So hart es auch sein mag. Aber Angst bestimmt bei vielen Menschen ihre Handlungen und Ansichten.

Angst gibt den Menschen oft ein Gefühl von Machtlosigkeit und sie fühlen sich überwältigt. Woraus schöpfen Sie die Kraft und die Motivation, weiter laut zu sein und dagegen anzukämpfen?

Searle: Ich fühle mich oft apathisch und bin oft frustriert angesichts der Dinge, die in der Welt geschehen. Und in der vergangenen Zeit kam das auch daher, weil ich mir mein Leben neu aufbauen musste. Aber an einem gewissen Punkt muss man sich engagieren. Wenn diese Zeit gekommen ist und es eine effektive Methode gibt, um Veränderungen herbeizuführen, werde ich es tun. Ich will eine bessere Welt. Ich habe jetzt eine kleine Tochter und ich will, dass sie eine schöne Welt hat, in der sie aufwachsen und leben kann.

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