Moses Pelham: „Ich kann nicht mehr über Scheisse streiten!“

Mit seinem neuen Album „EMUNA“ hat Moses Pelham seine eigene Komfortzone verlassen. In welchen Punkten er sich weiterentwickelt hat und was er zu seinem 50. Geburtstag plant, verrät er im Interview mit spot on news.

„Notaufnahme“ heisst der erste Song von Moses Pelhams neuer Platte „EMUNA“. Und der zeigt direkt, dass sich der 49-Jährige wieder einiges von der Seele schreiben musste. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot in news verrät der Frankfurter Rapper, wie er sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt hat, was er bei „Sing meinen Song“ über sich gelernt hat und welchen Standpunkt er in der Diskussion um die Streaming-Einnahmen in der Musikbranche vertritt.

Viele Songs auf „EMUNA“ handeln von persönlicher Entwicklung. Ist das die Botschaft, die Sie mit Ihrem Album vermitteln wollen?

Moses Pelham: Es ist nicht so, dass ich sage, ich habe eine unmittelbare Botschaft für dich. Ich beschäftige mich eigentlich mit mir selbst, mit meiner eigenen Situation und so entstehen dann die Lieder. Wenn in dieser Platte eine Botschaft stecken sollte, dann ist es diese hier: „Steh jetzt endlich auf und lass es raus!“

Der Begriff „Emuna“ wird allgemein als „Kraft des Glaubens“ angesehen. Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Albumtitel gekommen?

Pelham: „Emuna“ ist ein Begriff, den ich erst in den letzten zweieinhalb Jahren durch einen Freund kennenlernte. Er benutzte ihn immer wieder und mir erschloss sich seine Bedeutung sukzessive. „Emuna“ beschreibt etwas, von dem ich immer wusste, dass es in mir ist. Mir gefällt es, dass wir von unserem Schöpfer etwas in uns hineingelegt bekommen haben, das uns mit ihm verbindet. Dieses Wort bringt es perfekt auf den Punkt – und deshalb sollte mein Album so heissen.

Kommendes Jahr feiern Sie Ihren 50. Geburtstag. Was haben Sie sich für Ihre zweite Lebenshälfte vorgenommen?

Pelham: Ich kann und will nicht mehr über Scheisse streiten! Ich war immer sehr harmoniebedürftig. Viele der Streitigkeiten, in die ich verwickelt war, entstammen in Wahrheit dem Umstand, dass ich harmoniebedürftig bin. Ich nehme viel schneller wahr, beziehungsweise es geht mir viel näher, wenn etwas nicht so harmonisch läuft. Wenn es mir nicht gefällt, dann habe ich in der Vergangenheit auch schon mal gerne eine unnötige Diskussion geführt. Es gab vielleicht cleverere Reaktionen als diese. Aber das Leben ist auch learning by doing. Heute gehe ich einfach, wenn es mir irgendwo nicht gefällt.

Eine gewisse Rebellion scheint demnach immer noch in Ihnen zu stecken…

Pelham: Rebellion ist für mich eher ein positiv konnotierter Begriff – sich nicht immer in jeder Situation damit abzufinden, wie es ist. Das war und ist immer noch ein Teil von mir. Die Mittel, mit denen ich entäussere, dass ich mit gewissen Dingen unzufrieden bin, haben sich allerdings geändert. Ich habe eine Form von Konstruktivität dazubekommen. Ich sage nicht mehr sofort, dass alles scheisse ist, sondern versuche auch einen Vorschlag zu unterbreiten, wie wir es anders machen können.

Was ist seit Ihrer Anfangszeit bis heute ein verbindender Baustein im Hip-Hop?

Pelham: Hip-Hop hat etwas von Punk. Du musst dafür kein Instrument beherrschen, sondern kannst theoretisch direkt loslegen. Natürlich stellte man seine eigenen Fähigkeiten immer gern über die der anderen Rapper. Ich wollte eigentlich nie jemandem in meinen Texten zu nahe treten mit dem, was ich da sagte. Aber ohne Namen nennen zu wollen: Wenn ich mir so manche Sachen angeschaut habe, kam ich nicht drum herum festzustellen, dass da offenbar unterschiedliche Werte herrschten. Hip-Hop spornte einfach an, besser zu werden. Die Musikrichtung war schon immer sehr kompetitiv.

Gibt es musikalisch neue Wege, die Sie in Zukunft beschreiten wollen?

Pelham: Ich kann mir schon vorstellen, es hier und da wie die jüngeren Künstler zu machen und mal nur einen einzelnen Song oder eine EP herauszubringen, ohne dass da gleich ein ganzes Album dahintersteckt. Ich kann mir allerdings auch vorstellen, dass „EMUNA“ meine letzte Rap-Platte ist und ich nach der Tour etwas ganz anderes mache. Ich singe auf dem Album auch etwas mehr als früher. Mich mit 49 Jahren jetzt hinzustellen und zu singen bedeutete, dass ich meine Komfortzone verlassen musste. Es ist für mich absolut befreiend und fühlt sich richtig an.

Aktuell findet in der Musikbranche eine Diskussion um die Streaming-Einnahmen der Künstler statt. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Pelham: Aktuell läuft es ja so, dass alle Einnahmen aus Abo-Gebühren der Hörer in einen Topf kommen und nach Abzug vom Anteil, den der Dienst einbehält, an die Rechteinhaber ausgeschüttet werden und zwar abhängig davon, wie oft ihre Stücke gestreamt wurden. Egal von wem. Das klingt erstmal fair, hat aber den Haken, dass die Einnahmen durch einen Abonnenten, der nur die Stücke A, B und C hört und das auch nicht besonders oft, sich auch auf Stücke verteilen, die von einem anderen Abonnenten gestreamt werden, nur weil der insgesamt mehr Musik streamt, während er denselben Abo-Preis bezahlt. Der neue Gedanke ist, dass der Beitrag eines Abonnenten nur an Rechteinhaber von Stücken geht, die der jeweilige Abonnent tatsächlich gestreamt hat. Ich weiss nicht, ob man das über die Presse hätte machen müssen, denn es klang immer so wie Musikmanagement gegen Plattenfirmen. Diesen neuen Ansatz verstehe ich aber sehr gut und weiss auch gar nicht, wer aus der Musikindustrie etwas dagegen haben könnte und warum.

Bald startet eine neue Staffel von „Sing meinen Song“. Sie haben bereits an der Show teilgenommen. Was haben Sie in der Zeit über sich gelernt?

Pelham: Ich habe einfach nochmal am eigenen Leibe erfahren, wie falsch die Meinung sein kann, die man sich über Menschen bildet, die man gar nicht kennt und nur mal kurz im Fernsehen gesehen hat. Für mich war es wunderbar, diese Menschen näher kennen- und schätzen zu lernen. Das Ganze war für mich menschlich und künstlerisch ein Gewinn. Natürlich musste ich dort irgendwie auch meine Komfortzone verlassen, aber dabei entstehen halt auch die schönsten Sachen.

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