Warum Bewegung gerade jetzt so wichtig ist

Bewegung in den eigenen vier Wänden? Wie uns das in der aktuellen Krise gelingt, erklären die „Bewegungs-Docs“ im Interview.

Zu Hause zu bleiben, ist derzeit das wirksamste Mittel, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Am Sonntag haben sich Bund und Länder auf schärfere Ausgangsbeschränkungen geeinigt. Fitnessstudios und andere Freizeitangebote bleiben auch weiterhin vorerst geschlossen. Das sollte uns allerdings nicht daran hindern, auch weiterhin in Bewegung zu bleiben. „Gerade in Zeiten von Virusangst, den sozialen Einschränkungen und damit auch Belastung für Körper und Seele ist die moderate Bewegung ein elementarer Bestandteil davon, was wir für uns tun können“, erklären die „Bewegungs-Docs“ bestehend aus Dr. Melanie Hümmelgen, Dr. Christian Sturm und Dr. Helge Riepenhof im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.

Das Mediziner-Trio führt seit Anfang 2018 durch ihre TV-Sendung „Die Bewegungs-Docs“ im NDR und veröffentlicht am 3. April ihr Buch „Die Bewegungs-Docs – Bewegung als Medizin“ (ZS Verlag GmbH, 24,99 Euro). Im Interview erklären sie, wie wir auch in den eigenen vier Wänden Bewegung in unseren Alltag integrieren und wie wir damit unser Immunsystem stärken können.

Fitnessstudios, Schwimmbäder und andere Sporteinrichtungen sind geschlossen. Welche Alternativen bleiben da noch?

Vor allem ist es wichtig, die derzeitigen Vorgaben einzuhalten, Kontakt mit anderen Personen soll unbedingt gemieden werden. Dies sollte man natürlich auch bei allen sportlichen Aktionen beachten. So bietet es sich vor allem an, Eigenübungen und Gymnastik zu Hause in seinen Alltag einzuplanen. Vielleicht hat sich der eine oder andere in der Vergangenheit mal einen Hometrainer angeschafft, der kann nun mal wieder aus dem Keller geholt werden. Dies kann auch im eigenen Garten stattfinden, falls vorhanden. Spaziergänge, Joggen und Fahrrad fahren ist derzeit auch (noch) erlaubt, dabei sollte man jedoch genauso darauf achten, keinen Kontakt mit anderen Personen, ausserhalb der Familie, mit der man zusammenwohnt, zu haben. Einer Fahrradtour mit den eigenen Kindern steht also nichts im Wege, solange man nicht unter Quarantäne steht und keine Ausgangssperre besteht.

Bei einer drohenden Ausgangssperre fallen auch Spaziergänge flach. Was macht das mit unserem Körper, wenn wir nicht mehr raus in die Natur, an die frische Luft können?

Man sollte oft lüften, um die eigenen vier Wände regelmässig mit frischer Luft zu versorgen. Ausserdem können Gymnastikübungen am offenen Fenster stattfinden, so hat man ein Basisprogramm für eine bessere Sauerstoffaufnahme. Auch wenn dies ein Sportprogramm, das man sonst draussen durchführt, nicht komplett ersetzt, ist es in der jetzigen Situation eine hervorragende Alternative. Und wir möchten darauf hinweisen, wie wichtig es ist, vor allem auch jetzt Bewegung in seinen Alltag zu integrieren.

Wie kann man sich zu Hause fit halten und was muss man dabei beachten?

Je nachdem was einem bereits zu Hause zur Verfügung steht, oder was man sich per Lieferdienst in die Quarantäne bestellt, vom Wackelbrett, Gummibändern und Kurzhanteln, mit allem kann man viele gute Übungen machen. Aber selbst wenn man keinerlei Equipment hat, mit dem eigenen Körper gegen die Schwerkraft kann man bereits hervorragend trainieren. Auch Dehnungsübungen sind sehr wichtig, da man durch das viele Rumsitzen zu muskulären Verkürzungen neigt. Das kann auch zu Beschwerden zum Beispiel am Nacken mit folgenden Kopfschmerzen führen.

Was halten Sie von Fitness-Apps, YouTube-Tutorials oder ähnlichem?

Grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich durch hochwertige Apps anleiten zu lassen, sofern man gesund ist und sich nur aktivieren möchte. Wenn man allerdings gesundheitliche Einschränkungen hat, besteht das Risiko, dass die App darauf nicht eingeht und es zu Überforderungen oder gar Strukturschädigungen am Bewegungsapparat kommen kann. Aber in diesen Zeiten ist es sicher gut, sich Programme und Anleitungen anzuschauen, um Bewegung dennoch im Alltag fest zu verankern. Als Anfänger unbedingt mit den Programmen für Anfänger starten! Wenn man sowie schon länger mit einer solchen App trainiert, steht natürlich nichts im Wege, dies auch weiterhin zu tun.

Wie kann man sich zu Hause zum Sport motivieren?

Am besten erstellt man sich einen festen Stundenplan, ganz wie in der Schule. Dies kann man über das Handy machen, oder der Klassiker, man hat den Plan am Kühlschrank, so wird man direkt am Morgen daran erinnert. Für jeden Tag kann man dort festlegen, was man vorhat und wann. Zum Beispiel: Um 9 Uhr 30 Minuten lang Gymnastik am offenen Fenster, um 15 Uhr einen Spaziergang (alleine) und um 19 Uhr 30 Minuten lang Dehnungsübungen vor dem Fernseher. So kann man die sieben Tage der Woche durchplanen und bestimmte Dinge werden zum Ritual. Zum Beispiel: Gleichgewichtsübungen während der Nachrichten um 20 Uhr. Andere Aktivitäten gern von Tag zu Tag wechseln, so dass es nicht langweilig wird. Je regelmässiger man bestimmte Dinge tut, desto mehr wird es zur Gewohnheit werden und so wird es einfacher, die Übungen auch täglich zu machen.

In unserem Buch „Die Bewegungs-Docs“ kann jeder eine grosse Auswahl an Übungen finden, so dass man diese einfach zu Hause umsetzen kann. Auch wenn wir natürlich nicht im Geringsten bei der Bucherstellung von der derzeitigen Situation wussten, im Grunde haben wir das Buch dafür erstellt, dass man alleine, zu Hause, Bewegung in seinen Alltag integrieren kann. Natürlich gibt es auch hochwertige Homepages und andere Bücher, die man sich über das Internet auch nach Hause bestellen kann, so lange die Buchläden ggf. noch geschlossen haben.

Was raten Sie vor allem älteren Mitmenschen, die ja zur Risikogruppe gehören?

Auch hier ist die übergeordnete Regel „zu Hause bleiben“ unbedingt einzuhalten und auch auf Besuche zu verzichten. Wir müssen gerade unsere älteren Mitbürger schützen, und das geht derzeit am besten, indem wir physischen Abstand halten, so schwer uns dies, vor allem innerhalb der Familie, auch fallen mag. Gerade ältere Menschen sollten aber auch auf ein strukturiertes Bewegungsprogramm für zu Hause nicht verzichten, und sich einen Plan, analog zu dem oben erwähnten, erstellen.

Wie viel sollten sich die Kinder pro Tag bewegen, welche Tipps können Sie Eltern geben?

Kinder sollen und müssen sich natürlich gerade in der Zeit ohne Schule und vor allem ohne gewohnte Sportaktivität, noch möglichst viel bewegen können. Das kann auch eine Ballübung mit dem Fussball im Flur sein. Hier ist vor allem Flexibilität gefragt, also einfach mal die Vasen wegstellen und ggf. auch den Untermieter um Verständnis bitten. Draussen geht das am besten natürlich im eigenen Garten, aber auch im Wald oder in grösseren Parkanlagen, so dass man immer die Vorgabe der Kontaktvermeidung einhalten kann. Kleine Kinder haben sowieso meistens einen gesunden Bewegungsdrang und suchen sich auch in der kleinsten Wohnung ihre Rollerstrecke, bei unseren Jugendlichen müssen wir eher darauf achten, dass sie nicht komplette Tage mit Laptop auf dem Sofa liegen bleiben. Wir wünschen jedem Kind zumindest 60 Minuten Bewegung pro Tag.

Wie wirkt sich Bewegung auf unsere Abwehrkräfte aus. Können wir so unser Immunsystem stärken?

Ein ganz wichtiger Faktor in dieser Zeit: moderate Bewegung fördert das Immunsystem. Zu hohe Belastung wie z.B. Marathon überlastet das Immunsystem häufig, das weiss man aus verschiedensten Untersuchungen. Aber leichter Sport, Bewegung und auch moderate Anstrengung ist förderlich und hilft uns mit Belastungen für unsere Abwehrkräfte besser fertig zu werden. Also gerade in Zeiten von Virusangst, den sozialen Einschränkungen und damit auch Belastung für Körper und Seele ist die moderate Bewegung ein elementarer Bestandteil davon, was wir für uns tun können. Motivieren Sie also sich, und auch Ihre Familie zu mehr Bewegung und Eigenübungen. Bei allem, was gerade passiert, sorgen Sie dafür, dass Massnahmen, die gerade vorgegeben werden, wie das zu Hause bleiben, möglichst keinen Kontakt zu anderen, eingehalten werden, und halten Sie sich über die Nachrichten darüber auf dem Laufenden. So können Sie entsprechend darauf reagieren.

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