Bedeutendster Gitarrist aller Zeiten: Vor 50 Jahren starb Jimi Hendrix

Am 18. September 1970, also vor exakt 50 Jahren, endete – im Alter von nur 27 Jahren – das Leben des wohl bedeutendsten Gitarristen aller Zeiten. Ein Auszug aus dem Werk von Jimi Hendrix.

„Ich habe da einen Freund, der gerne mit dir jammen würde“, erklärte Chas Chandler (1938-1996), Ex-Bassist von The Animals, Eric Clapton (75), als der mit seiner Band Cream am 1. Oktober 1966 im Regent Street Polytechnic in London auf der Bühne stand. Das, was dann passierte, war nicht weniger als eine Wachablösung. Der Linkshänder mit der weissen Rechtshänder-Gitarre stimmte das Howlin‘-Wolf-Cover „Killing Floor“ an (ein Song, den Clapton schon immer gerne spielen wollte, es aber schlichtweg nicht konnte) und schickte Eric Clapton von der Bühne zurück in den Proberaum. Diese Worte sollen davor noch an Chandler gegangen sein: „Ist der immer so verdammt gut?“ „Der“ war Jimi Hendrix (1942-1970), der heute vor 50 Jahren starb, – und er stiess damals in weniger als drei Minuten den frisch gekürten Gitarrengott Europas vom Blues-Thron.

Gerade eine Woche war damals vergangen, seit Chandler seinen Schützling von den Staaten auf die Insel gelockt hatte – nicht ohne Grund: Es war die Zeit von Swinging London, dem Kulturnabel der Welt, alle Pop- und Rockgrössen gaben sich in den Clubs der Stadt das Klinkenkabel in die Hand. Beatles, Stones, The Who und eben auch Cream. Wer den Durchbruch schaffen wollte, schaffte ihn nur in Grossbritannien. Das, was Jimi Hendrix in gerade einmal vier Jahren geschafft und geschaffen hatte, gelang den meisten Künstlern in ihrer gesamten Karriere nicht. Bei seiner Laudatio zu Hendrix‘ Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame 1992 sagte Neil Young (74): „Es gab keine Techniken, die man sich von Hendrix abschauen konnte, keine Akkorde, die ich wiedererkannte… Ich habe sie nur gefühlt und wollte auch so spielen können und habe mir geschworen, vielleicht kriege ich eines Tages etwas annähernd so Gutes hin.“ Dass James Marshall Hendrix neben seinem revolutionären Spiel auch Songs für die Ewigkeit schuf, machte ihn zu einem der einflussreichsten Künstler der Musikgeschichte.

„Gemeinsamer Nenner aller Stile“

Pete Townshend (75), notorischer Gitarren-Held und -Zerstörer, schrieb im „Rolling Stone“, der Jimi Hendrix zum „grössten Gitarristen aller Zeiten“ wählte, über sein Verhältnis zu ihm: „Für Neid war kein Platz. Ich hatte nämlich nie das Gefühl, ihm auch nur annähernd das Wasser reichen zu können.“ Townshend und Clapton hielten sich trostspendend die Hand, als sie einmal bei einem seiner Gigs im Publikum standen: „Was wir da sahen, war überwältigend.“ Die beiden Musiker zählten – und zählen bis heute – zu den Besten ihres Fachs, und trotzdem schien das, was Hendrix mit der E-Gitarre anstellte, für sie nicht greifbar. So auch für den Rest der Welt, der in dem schüchternen Mann aus Seattle anfangs eher einen verhexten Ausserirdischen als einen magischen Saitenhexer sah. Hendrix kleidete sich exaltiert, kombinierte Militärjacken mit psychedelischen Blusen, die er in den Boutiquen von London erstand. Hinzu kamen seine katzenhafte, fast schon schamanische Aura und der Afro, den er sich bei Bob Dylan (79) abschaute. Jimi Hendrix avancierte zur Pop-Ikone der Sechzigerjahre.

Die optische Exotik ergänzte die Ausnahmeerscheinung mit einem noch nie zuvor dagewesenen Gitarrenspiel, das alles auf den Kopf stellte. Mit seiner Band The Jimi Hendrix Experience nahm er innerhalb kürzester Zeit drei Jahrhundert-Alben auf. Auf „Are You Experienced?“, „Axis: Bold As Love“ und „Electric Ladyland“ transportierte Hendrix durch seine Gitarre (und seine Stimme!) Töne und Klänge, die die Nachwelt seither zu ergründen und zu erklären versucht. „Seine Musik ist der gemeinsame Nenner aller Stilrichtungen, die wir haben“, beschreibt John Mayer (42), einer der grössten Hendrix-Verehrer unserer Zeit, die Musik des E-Gitarristen in einem Essay für den „Rolling Stone“. „Ich glaube, Musiker lieben Jimi Hendrix‘ Spiel so sehr, weil ihm seine musikalische Sprache einfach angeboren war. Er hatte ein geheimes Verhältnis zur Gitarre, und es steckte zwar viel Technik und Theorie drin, aber eben seine Theorie“, versucht Mayer zu erklären.

Castles Made Of Sand

Jimi Hendrix dachte in musikalischen Parametern und träumte sie sogar. Das Resultat waren vom Blues durchtränkte Nummern à la „Red House“, „Voodoo Child (Slight Return)“ und „All Along The Watchtower“ – dem berühmten Dylan-Cover, das Hendrix‘ Schaffen perfekt zusammenfasst. Doch gerade in flirrenden Pop-Songs wie „Purple Haze“, „Little Wing“ oder „Castles Made Of Sand“ schien Hendrix seine oft verborgene Verwundbarkeit nach aussen zu stülpen. In letzterem Stück singt er: „Many moons passed and more the dream grew stronger / Until tomorrow, he would sing his first war song / And fight his first battle, but something went wrong / Surprise attack killed him in his sleep that night“. Der Ausnahmekünstler starb am 18. September 1970 in London im Alter von 27 Jahren, nachdem er eine womöglich zu hohe Dosis Schlaftabletten genommen hatte. Er soll an seinem eigenen Erbrochenen erstickt sein.

Vorheriger ArtikelWolfgang Bahro: Das hat er Jo Gerner zu verdanken
Nächster ArtikelNeue Serie: Dieser Star wird zu She-Hulk