Charlotte Link: „Wir feiern zum ersten Mal nicht mit meinen Eltern“

Auch bei Bestsellerautorin Charlotte Link sieht das Weihnachtsfest anders aus als gewohnt: „Wir werden zum ersten Mal nicht mit meinen Eltern zusammen feiern. Beide sind weit über achtzig, es erscheint uns zu riskant.“

„Der Kontakt zu den Lesern fehlt mir sehr. Und natürlich überhaupt das vertraute Leben“: Bestsellerautorin Charlotte Link (57), die im November mit „Ohne Schuld“ (Blanvalet) eine weitere Geschichte mit Ermittlerin Kate Linville vorgestellt hat, verrät im Interview mit spot on news, wie ihr Fazit für das Corona-Jahr ausfällt und wie sie Weihnachten feiert.

Gerade haben Sie mit „Ohne Schuld“ die dritte Geschichte rund um Kate Linville veröffentlicht. Was ist für Sie das Faszinierende daran, in die Welt von Polizisten und Mörder abzutauchen?

Charlotte Link: Es gibt in „Ohne Schuld“ einen wirklich schrecklichen Psychopathen, aber das Kernverbrechen wird von einem Menschen verübt, der eigentlich keine kriminelle Energie hat, der nicht bösartig und skrupellos ist. Sondern vollständig verzweifelt und am Ende aller Kräfte. Eine schwere Depression ist der Auslöser für die Tat. Und das ist es, was mich interessiert und fasziniert: Ganz normale Menschen, denen das Schicksal auf eine schlimme Weise mitspielt, die sich in ihrem Leben nicht mehr zurechtfinden, die sich in ausweglose Situationen manövrieren. Aus denen heraus das Verbrechen entsteht. Diese Wege und Entwicklungen zu schildern, finde ich so spannend.

Die Beziehung zwischen Kate Linville und Caleb Hale verändert sich in „Ohne Schuld“. Wie wichtig ist das Privatleben der beiden – vor allem Hale scheint sich am Tiefpunkt zu befinden.

Link: Caleb Hale ist am absoluten Tiefpunkt, mehr denn je sucht er Halt und Unterstützung, und letztlich ist Kate der Mensch, bei dem er immer wieder auf Verständnis trifft. Die Beziehung der beiden hat keinen romantischen Aspekt, gewinnt aber vielleicht gerade deshalb an Bedeutung für die beiden: Sie verstehen, achten und respektieren einander, ungetrübt von emotionalen Wechselbädern, die Liebesbeziehungen ja leicht bereithalten können. Ich finde es ist wichtig, diesen privaten Bereich der Ermittler zu schildern. Wir begleiten sie über mehrere Bücher hinweg, man muss ja wissen, mit wem genau man es zu tun hat.

In Ihrem neuen Buch geht es um eine – für viele unvorstellbare – Tat, die im familiären Umfeld vertuscht wurde. Haben Sie sich von wahren Geschichten inspirieren lassen?

Link: Diese in dem Buch geschilderte Tat ist auf der einen Seite unvorstellbar, auf der anderen Seite wissen wir, dass solche Dinge in der Wirklichkeit passieren. Ich habe mich nicht von einem konkreten Vorkommnis inspirieren lassen, sondern habe versucht, mich in die Tätersituation hineinzuversetzen, den Weg sozusagen innerlich mitzugehen. Der Weg führte unvermeidlich zu der Tat.

Gerade entsteht ein neuer TV-Zweiteiler rund um Kate, inwieweit sind Sie bei den Dreharbeiten involviert?

Link: Ich bin in der Entstehungsphase des Drehbuchs immer wieder im Gespräch mit Produzent, Drehbuchautor und Regisseur. Wir beraten sehr lange über alles, aber das letzte Wort hat der Produzent.

Henny Rennts spielt die Titelrolle, haben Sie sich die Figur so vorgestellt?

Link: Ehrlich gesagt, nicht ganz so attraktiv und nicht rothaarig. Aber sie gefällt mir sehr als Typ. Sie wird Kate gut darstellen.

Wird auch der dritte Teil der Reihe verfilmt?

Link: Vermutlich ja.

Es sind schon viele Bücher von Ihnen verfilmt worden, haben Sie einen Favoriten unter den Filmen?

Link: Ich mochte „Die letzte Spur“ sehr gerne. Die Verfilmung entsprach stark dem Buch.

Die Deutschen sind sehr Thriller- und Krimi-begeistert. Woran, denken Sie, liegt das?

Link: Wir lassen uns alle gerne hin und wieder aus dem normalen Alltag in eine Welt der Spannung und Abenteuer entführen. Ich glaube jedoch, dass der tiefere Grund für die Krimibegeisterung darin liegt, dass die Ausnahmesituation, in die die Protagonisten stürzen, weil sie Opfer oder Zeuge eines Verbrechens werden, die Möglichkeit sehr sezierender Charakteranalysen bietet. Fassaden wackeln, wenn das Trauma ins Leben kracht. Darin liegt die eigentliche Spannung.

Gerade in der Corona-Krise und den damit einhergehenden Beschränkungen bedeuten Bücher und das Fernsehen für viele Menschen Ablenkung. Wie sieht Ihr Lockdown-Alltag aus?

Link: Normalerweise sähe ein Herbst mit einem neuen Buch für mich ganz anders aus. Ich wäre ständig zu Lesungen und Signierstunden unterwegs. Das fällt nun alles aus. Ich werde per Skype oder Facetime in Fernsehstudios geschaltet, anstatt direkt dorthin zu gehen, und kämpfe manchmal ganz schön mit der Technik. Der Kontakt zu den Lesern fehlt mir sehr. Und natürlich überhaupt das vertraute Leben, in dem man zu Geburtstagsfeiern ging, Freunde und Verwandte traf, Restaurants besuchte, Theatervorstellungen. Und vieles mehr. Aber wenigstens kann ich meiner Arbeit nachgehen, das ist ja leider nicht für jeden selbstverständlich.

Welches Fazit ziehen Sie für sich privat und beruflich nach diesem Corona-Jahr?

Link: Privat: Es geht vieles über Zoom und Skype und Facetime. Aber es ersetzt nicht die persönlichen Gespräche und die Nähe. Beruflich ist es genauso.

Weihnachten steht vor der Tür. Das Fest ist nicht nur in Corona-Zeiten mit vielen Emotionen verbunden. Was bedeutet für Sie diese Zeit?

Link: Ich mag Weihnachten, ich mag auch diese winterliche Jahreszeit, in der es früh dunkel wird, man viele Kerzen anzündet und literweise heissen Tee trinkt. Ich würde Weihnachten noch mehr mögen, wenn nicht gerade zu diesem Fest der Liebe so viele Tiere getötet und auf den Festtagstafeln landen würden.

Wie wird Ihr Weihnachtsfest in diesem Jahr aussehen?

Link: Wir werden zum ersten Mal nicht mit meinen Eltern zusammen feiern. Beide sind weit über achtzig, es erscheint uns zu riskant. Immerhin sind sie zu zweit, deshalb kann ich das verantworten. So bin ich nur mit meinem Mann und den beiden erwachsenen Kindern zusammen. Und unseren drei Hunden.

Machen Sie sich Vorsätze für das neue Jahr und wenn ja, wie sehen diese aus?

Link: Ich will Dinge, die mir am Herzen liegen, schneller umsetzen. Man weiss ja nie, wann man plötzlich in totaler Stagnation im Lockdown festhängt…

Was bekommen Ihre Fans als nächstes von Ihnen zu lesen? Und wie geht es mit Kate Linville weiter?

Link: Das nächste Buch wird aller Voraussicht nach im Herbst 2022 erscheinen. Ich beginne im Januar, es zu schreiben. Arbeite gerade schon an der Story. Es geht weiter mit Kate Linville, ich habe auch durchaus Vorstellungen, wie sich ihr Leben entwickelt, aber das ist alles noch sehr vage.

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