Keine Ruhe im Lockdown? Die Folgen von Stress und Erschöpfung

In der Arbeit jagt ein Termin den anderen, die Kinder wollen beschäftigt sein – und das Essen kocht sich auch nicht von allein. Wer sich gestresst fühlt, sollte dringend einen Gang zurückschalten, denn die Auswirkungen auf Körper und Geist können fatal sein.

Ständige Belastung führt auf Dauer zu Stress – und der kann schwerwiegende psychische und physische Folgen haben. Davor warnt Dr. med. Alexander Rondeck. Der Autor von „Die Energieformel“ (Kosmos) sieht im Corona-bedingten Lockdown ein Gefahrenpotenzial, besonders gestresst zu sein. Ein geordneter Alltag, ausreichend Bewegung, und ausreichend Schlaf seien das A und O, um einem Burn-out oder Stress vorzubeugen. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt Rondeck, wie sich Stress auswirkt und wie man ihm entgegenwirkt.

Wie gefährlich ist Stress für die physische und psychische Gesundheit?

Alexander Rondeck: Durch regelmässigen Stress bleibt unser Sympathikus als „Alarmnerv“ aktiviert. Dadurch spannen wir dauerhaft unsere Muskeln an – ziehen zum Beispiel die Schultern hoch – ,was mit der Zeit schmerzhaft ist. Rücken- und Nackenschmerzen sind die Folge, auch Kiefergelenksschmerzen und Tinnitus sind typische Symptome.

Ein besonderes Augenmerk sollte man gerade jetzt auf die Schwächung des Immunsystems durch dauerhaften Stress legen. Ist der Sympathikus dauerhaft aktiviert, startet eine Entzündungswelle im Körper, die unser Immunsystem schwächt. Aber auch das Stresshormon Noradrenalin, das wir bei Sorgen und Ungewissheit vermehrt ausschütten, kann genau diese Entzündungswelle auslösen. Langanhaltender Stress senkt andererseits unseren Cortisol-Spiegel. Dadurch haben wir nicht nur weniger Energie, sondern auch die entzündungshemmende Wirkung des Cortisols fehlt. Gestresst und erschöpft ist nur der Ausdruck unseres Körpers, dass unsere Stress- und Regenerationshormone, unser vegetatives Nervensystem im Ungleichgewicht ist oder dass unseren Zellen bestimmte Nährstoffe fehlen. Dies macht es uns auch so schwer, uns zu entspannen.

Dauerhafter Stress lässt uns Voraltern. Alle Systeme unseres Körpers werden in kürzerer Zeit mehr beansprucht. Dies erklärt auch, warum Menschen bei dauerhaftem Stress mehr Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden und warum sie ein erhöhtes Risiko haben, an Krebs oder psychischen Erkrankungen wie Depression zu erkranken.

Durch die Dauerbelastung verbrauen wir auch unsere Regenerationshormone wie Serotonin, das Glückshormon, vermehrt. Es kommt zu Stimmungsschwankungen und gedrückter oder gereizter Stimmung. In der Nacht fährt unser Gedankenkarussell viele Runden mit uns, der Schlaf ist nicht mehr erholsam und wir fühlen uns ausgelaugt.

Eine mittlerweile häufig gestellte Diagnose ist Burn-out. Wie macht sich dies bemerkbar und warum erkranken viele daran?

Rondeck: Beim Burn-out spielen mehrere Aspekte eine Rolle. Häufig verlieren wir das Gefühl dafür, wann für uns die Grenze der Belastung erreicht beziehungsweise überschritten ist. Wir sagen uns: „Nur noch dieses Projekt! Nur noch diese Mail kurz beantworten! Das muss ich auch noch schnell machen!“ Es ist manchmal die Begeisterung, über die eigenen Grenzen hinausgehen zu können, nach aussen als sehr leistungsfähig dazustehen oder gut mit den anderen mithalten zu können.

Wir werden in der Schule erzogen, Dinge möglichst schnell zu lernen, ohne den Kontext zu sehen und auch mal innehalten zu dürfen, ihn zu hinterfragen oder zu verstehen. Wenn Kindern in ihrer entscheidenden Entwicklungsphase beigebracht wird, etwas abzuarbeiten, dann darf sich keiner wundern, wenn diese Kinder als Erwachsene jeden Tag nur etwas abarbeiten und sich wie in einem Hamsterrad fühlen. Gleicher Arbeitsumfang wird auf weniger Schultern verteilt. Dadurch, dass unsere heutige Welt eine höhere Taktung mit Mailverkehr und Arbeitsverdichtung hat, sind wir gezwungen, ständig zu optimieren und Zeit einzusparen. Doch diese Zeit wäre es, die uns durchschnaufen lässt, um wieder Energie zu sammeln.

Wie lassen sich Motivation und Lebenskraft dauerhaft zurückgewinnen?

Rondeck: Entscheidend ist, zu verstehen, dass es für unser Wohlbefinden und unsere Zufriedenheit im Leben immer um die Balance geht. Daher steht der BaLi, der Balance-of-Life-Gedanke, im Mittelpunkt. Egal welchen Aspekt, ob medizinisch oder nicht medizinisch, wir nehmen, es geht immer um das Gleichgewicht. Am Beispiel des vegetativen Nervensystems, der Stress- und Regenerationshormone, der Nährstoffversorgung der Zelle, der mentalen Ebene sieht man deutlich, dass ein Zuviel oder Zuwenig auf Dauer immer zu einem Verlust der Lebenskraft führt.

Erkennen wir zum Beispiel, dass wir in der Arbeit oder zu Hause sehr gefordert wurden, sollten wir Regenerationsinseln einbauen, etwa in Form von Sport oder einem kleinen Ausflug mit der Familie. Wer unter der Woche sehr wenig geschlafen hat, sollte umso mehr darauf achten, dass er am Wochenende frühzeitig ins Bett geht und sich seine Regeneration durch den Schlaf wiederholt. Generell ist es schöner, entspannt und mit einem Lächeln einzuschlafen, indem man etwa ein lustiges Hörbuch zum Einschlafen wählt, anstatt sich von Nachrichten über neue Infektionsrekorde, Schwierigkeiten bei der Impfung oder schlechte Wirtschaftsaussichten den erholsamen Schlaf rauben zu lassen. Der Schlaf ist die grösste Ladestation für unsere Lebekraft.

Auf der mentalen Ebene spielen mit Sicherheit die innere Zufriedenheit und eine gewisse Gelassenheit bezüglich der Gegebenheiten eine Rolle. Wer es versteht, seine Energie in Dinge fliessen zu lassen, die er ändern kann, und sich mit den Umständen zu arrangieren, die er nicht beeinflussen kann, der behält seine Lebenskraft dauerhaft.

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