Warum die Generation Y besser ist als ihr Ruf

Kaum einen Satz dürften junge Menschen mehr hassen als „Ach, ihr wisst doch noch gar nicht, was ihr wollt.“ Und doch fasst er die gegenwärtige Meinung über eine ganze Generation perfekt zusammen. Ziellos und egoistisch – sieht so die „Generation Why“ aus? Nur auf den ersten Blick.

Generation Selfie, Generation Beziehungsunfähig, Generation Google, Generation Y. Das sind nur einige der zahllosen Namen, die die nach 1980 Geborenen bekommen haben. Über Sinn und Unsinn solcher Kampfbegriffe lässt sich natürlich streiten, doch eines haben sie scheinbar alle gemeinsam: Sie klingen wenig schmeichelhaft. Grund genug, eine ganze Generation zu hinterfragen.

Notorisch unzufrieden, egoistisch und unpolitisch, dazu auch noch plan- und ziellos – klaglos tragen Millionen junger Menschen dieses Stigma, ohne sich wirklich dagegen zu wehren. Und das ausgerechnet in Zeiten von Selbstbestimmung und grosser Freiheit, mit Möglichkeiten, von denen vorherige Generationen nur träumen konnten. Paradox eigentlich.

Früher war alles besser. Nicht.

Sollte also tatsächlich die Grosseltern-Fraktion mit ihrem „Früher war alles besser“-Credo recht behalten? Nein. Die Welt, in der sich die Jugend von heute bewegt, ist nicht einfacher geworden, sie ist anders kompliziert. Denn wie wusste schon Spidermans Onkel Ben: „Mit grosser Macht kommt grosse Verantwortung“. Während früher für die allermeisten Jugendlichen der Dreiklang Schule – Lehre – Arbeit alternativlos war, sind die Möglichkeiten heute schier endlos. Doch das bedeutet Fluch und Segen zugleich.

Ein Viertel der Abiturienten zieht es beispielsweise nach ihrem Abschluss ins Ausland. „Work and Travel“ erfreut sich nach wie vor grösster Beliebtheit. Danach ab ins Studium, um die Karriereleiter möglichst schnell hochzuklettern? Wieder falsch. Soziales Engagement, in Form von Freiwilligenarbeit, steht in der Generation Y hoch im Kurs, wie die Infografik von DefShop zeigt.

Die Probleme beginnen für die selbsternannten Welteroberer und -verbesserer erst, wenn sie sich auf einen Job oder ein Studium festlegen müssen. Der Spagat zwischen Backpacking in Australien und stundenlangem Büffeln im Ein-Zimmer-Appartement will beherrscht werden – und klappt manchmal eben erst im zweiten oder dritten Anlauf.

Generation der Rebellen? Eher Generation der Spiesser

Auch wenn es sich viele junge Erwachsene nicht eingestehen wollen: Die Generation Y ist braver und spiessiger als die ihrer Eltern. Rauchen ist verpönt, die Ernährung muss gluten-, kohlenhydrat- und fettfrei zugleich sein und das Fitnessstudio ist die neue Kneipe. Ein sicherer, fester Arbeitsplatz steht für fast alle an oberster Stelle. Kein Wunder also, dass sich viele mit politischen Meinungen zurückhalten, um die Karriere nicht zu gefährden. Eine Zurückhaltung, für die zum Beispiel auch Jonas Schubert der Band OK Kid Verständnis zeigt: „Zeig Haltung, wenn du Haltung zeigen willst. Ich würde niemanden verurteilen, der das nicht macht. Denn natürlich: Wenn du Haltung zeigst, begibst du dich auf dünnes Eis. Du machst dich dadurch angreifbar und ich kann nachvollziehen, wenn Leute darauf keinen Bock haben“, sagte er im Interview mit Vice.

Selbst beim Thema Liebe hält sich die ach so aufgeklärte Generation Porno oder Generation Tinder. Den ersten Sex hat knapp die Hälfte der 17-Jährigen hinter sich gebracht. Kein Unterschied zu früheren Jahrgängen. Oder wie es ein vermeintlicher Repräsentant der Generation Y, die Band AnnenMayKantereit in einem Interview mit „Zeit Campus“ formuliert: „Keiner von uns hat jemals Tinder benutzt…“ (Severin) „… und wir sehen uns nicht als Stellvertreter einer Generation. Wer ist überhaupt diese Generation?“ (Malte) Stattdessen gehen die „Y-er“ offener mit ihrer Sexualität um: Immerhin 11 Prozent bezeichnen sich als LGBT, also als Lesben, Schwule, Bisexuelle oder Transgender. Die Welt wird bunter – und das ist gut so!

Fazit: Die Welt dreht sich immer schneller und die Generation Y wird, sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Privatleben, brutal damit konfrontiert. Seinen Platz in der Welt zu finden, ist im Jahr 2017 nicht mehr ganz so einfach wie noch vor 50 Jahren. Dass der ein oder andere vor der Entscheidung in vermeintliche Belanglosigkeiten flüchtet, ist nur allzu gut nachvollziehbar.

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