Gianni Versace: Mode-Mythos mit Mafia-Kontakten?

Am 15. Juli 1997 erschütterte ein brutaler Mord die Modebranche. Gianni Versace wird auf den Stufen seiner Villa ermordet. Er hinterlässt ein Mode-Imperium, einige Erbstreitigkeiten – und eine abenteuerliche Verschwörungstheorie.

Er war der ungekrönte König der Mode. Wenn Gianni Versace (1946-1997) die Szene betrat, lagen ihm die Reichen und Berühmten zu Füssen. Prinzessin Diana, Madonna oder das Topmodel Naomi Campbell himmelten ihn an, obwohl er sich nichts aus Frauen machte. Elton John komponierte die Bühnenmusik für seine Modenschauen, und Eric Clapton bezeichnete ihn als „besten Modemacher und Rockschneider der Welt“.

Sein Ende war ebenso spektakulär wie unrühmlich: Vor genau 20 Jahren, am 15. Juli 1997, wurde Gianni Versace im Alter von 50 Jahren auf der Treppe zu seinem Haus in Miami Beach erschossen. Er hinterliess ein Mode-Imperium, einige Erbstreitigkeiten – und eine abenteuerliche Verschwörungstheorie.

Wie alles begann

Es heisst, dass der kleine Gianni einst am Strand seiner süditalienischen Heimatstadt Reggio Calabria die Abbildung einer Gorgone, ein Wesen aus der griechischen Mythologie, gefunden hat. Der Medusenkopf hat ihn aussergewöhnlich inspiriert, er wurde später sein Unternehmens-Logo. Nach dem Abitur studierte er Architektur und arbeitete nebenbei in der Schneiderei seiner Mutter, wo er schliesslich Stoffeinkäufer wurde.

1972 ging der Autodidakt nach Mailand und entwarf erste Prêt-à-porter-Kollektionen für Callaghan und das damals noch junge Label Genny, zu dessen späterer Bekanntheit er erheblich beitrug. Nur drei Jahre später feierte das Jungtalent bereits grosse Erfolge mit seiner ersten Lederkollektion für Complice in den USA.

Er veränderte die Modebranche

1978 war es dann soweit: Gianni Versace brachte die erste Kollektion unter seinem eigenen Namen heraus. Schnell war der Italiener als Meister des Neo-Barock bekannt. „Think big“ war sein Motto – und mit diesem Wagemut hat Versace die Modebranche nachhaltig verändert. Seine opulenten Schöpfungen, in denen freizügig allerlei Kunststile, gegensätzliche Muster und knallige Farben miteinander kombiniert wurden, erinnerten nicht zuletzt in ihrer Dramatik an den dekadenten Stil des 17. Jahrhunderts.

1989 gründete der Designer die Zweitlinie Versus, die von Anfang an von seiner Muse, seiner Schwester Donatella Versace, gestaltet wurde und seit 1995 auf der New York Fashion Week gezeigt wird. Seine Erfolge waren legendär. Als erster Modeschöpfer der Welt wurden seine Arbeiten 1985 im Victoria and Albert-Museum in London ausgestellt.

Auch das Theater faszinierte ihn

In den 80er-Jahren begann Versace neben seinen Modekollektionen auch für Theaterinszenierungen zu entwerfen. Seine Kostümdesigns für die Mailänder Scala, die San Francisco Opera, das New York City und andere Ensembles wurden später in dem Begleitbuch zu der Ausstellung „Theater und Mode“ in München verewigt.

Überdies gestaltete Versace die Präsentationen seiner Männermode zu einer offen vorgeführten Show der Homoerotik, wobei er sein männliches Schönheitsideal in der griechisch-römischen Antike sah. Diesem Hang zur Homoerotisierung entsprach auch sein Umgang mit der eigenen Homosexualität.

Die Liebe seines Lebens?

1982 lernte Gianni Versace das männliche Model Antonio D’Amico bei einer Premiere im Mailänder Opernhaus kennen. D’Amico, damals 23 Jahre alt, erschien als Begleitung eines begüterten Freundes. Der 13 Jahre ältere Modemacher Versace reichte ihm die Hand und lud ihn später an seinen Tisch ein. D’Amico wurde schliesslich Versaces Liebespartner und Lebensgefährte. Ein Jahr nach der ersten Begegnung zog er bei ihm ein. Mehr noch: Antonio D’Amico wurde Chef einer neuen Versace-Linie. Er wurde verantwortlich für die sportive Richtung, entwarf Kleidung für Tennis oder Golf.

1996 erkrankte Versace an Knochenkrebs in der Wange und bekam eine Chemotherapie. Dadurch wurde er etwas müder, hörte aber nie auf zu arbeiten. Er lebte nun meist mit Antonio D’Amico in Florida. Auch im Sommer 1997 waren die beiden in den USA.

Der Tag, an dem Versace ermordet wurde

Es ist der Morgen des 15. Juli. Antonio sitzt auf der Terrasse der Villa „Casa Casuarina“ am Ocean Drive in Miami Beach. Er frühstückt, sein Freund Gianni Versace ist gerade mal weg, um Zeitungen zu holen. Da hört er zwei Schüsse. Antonio D’Amico rennt aus dem Haus, auf der Treppe zur Strasse und da liegt sein Freund. Tot. Der Amerikaner Andrew Phillip Cunanan hat ihn mit zwei Kopfschüssen ermordet.

Der junge Mann hatte sein Geld als Callboy in der Schwulenszene von New York verdient und durch Drogenkonsum und persönliche Probleme mehrere Liebhaber vergrätzt und schliesslich auch seine Geldquelle verloren. Das trieb ihn vermutlich zu einem mörderischen Amoklauf. Vor Versace hatte er bereits vier Menschen getötet. Der Modeschöpfer war sein letztes Opfer.

Cunanan kann fliehen, nach intensiver Fahndung mit teilweise über 400 Beamten wird er am 23. Juli auf einer Yacht im Hafen von Miami entdeckt. Der Verwalter des Bootes sieht ihn, öffnet die Tür und hört dann einen Schuss. Cunanan hat sich selbst umgebracht. Die Polizei glaubt nicht an eine Beziehungstat, nach ihren Recherchen kannten sich Mörder und Opfer nicht. War Gianni Versace nur zur falschen Zeit am falschen Ort?

Sein letzter Wille

Die Beisetzung in Mailand wird zu einer Art Staatsakt. Elton John singt zusammen mit Sting den Psalm 25. Nur der trauernde Lebensgefährte Antonio D’Amico ist isoliert. Die Familie Versace beachtet ihn nicht. „Meine Beziehung mit Antonio ist genau dieselbe, als Gianni noch lebte. Ich respektiere ihn als Lebensgefährten meines Bruders, aber ich mochte ihn nie als Person“, so wird Donatella Versace später von der „New York Times“ zitiert.

In seinem Testament hat Versace verfügt, dass Antonio sämtliche Häuser und eine monatliche Apanage von knapp 25.000 Euro erhalten soll. Seine Geschwister gingen in derselben Verfügung leer aus. Seine Firma vererbte Gianni an Allegra, die kleine Tochter seiner Schwester Donatella. Der letzte Wille entzweit D’Amico und den Versace-Clan endgültig. Zwar überschreibt D’Amico als Zeichen seines guten Willens die Häuser an die Versaces. Doch die Familie dankt es ihm nicht. Im Gegenteil: Antonio wird verboten, das Grab Versaces zu besuchen.

Ein halbes Jahr später steigt er aus der Firma aus und gründet sein eigenes Label. Doch als Designer versagt D’Amico. 2001 versucht er, sich das Leben zu nehmen, heute lebt er zurückgezogen am Gardasee, versunken in die Erinnerung an den toten Lebensgefährten. Friede seiner Asche? Mitnichten!

Eine abenteuerliche Theorie

2010 meldet sich der Mafioso Guiseppe Di Bella zu Wort. Er ist einer der wichtigsten Kronzeugen der italienischen Justiz gegen die ‚Ndrangheta. La Bella hat für die Organisation als Schutzgeldeintreiber und Killer gearbeitet. In seinem Buch „Metastasen“ behauptet er eine abenteuerliche Theorie.

Demnach sei Versace in Wahrheit gar nicht tot, er würde noch leben, seine Familie und die Mafia würden ihn schützen. Die „Welt“ berichtet 2011: Laut Guiseppe Di Bella habe Versace „sein Boutiquen-Netz auf der ganzen Welt dazu benutzt, Mafia-Geschäfte zu decken. Er sei auf die Drogenbeschaffung der ‚Ndrangheta angewiesen gewesen. Und er habe zumindest in den Jahren 1983 bis 1984 Geld für die Mafia gewaschen. Ausserdem habe der erfolgreiche Designer als Händler für die gestohlenen Kunstwerke der Familie fungiert und sie an reiche Freunde vermittelt.“ Der Tote auf den Treppenstufen zur Villa Casa Casuarina sei ein anderer gewesen.

So lebt der Name des Mode-Genies fort: als Mythos – und als geheimnisvolle Spekulation.

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