Journey of a Roach – Kein Spiele-Ungeziefer

Woher stammt eigentlich der Mythos, dass Kakerlaken einen Atomkrieg überleben würden? Das sonst so unsympathische Geziefer wünscht man sich als Mensch wohl eher nicht als Gesellen in einer postnuklearen Welt. Das spielt aber auch gar keine Rolle, denn Menschen gibt es in Journey of a Roach nicht, sondern nur Kakerlaken.

Skurrilität als Merkmal

Mit Journey of a Roach sind nun die Schweizer Designer von Koboldgames an der Reihe, sich Lorbeeren einstreichen zu dürfen. Die ehemaligen ZHdK-Studenten schicken den Spieler dabei auf eine Reise in den Untergrund. Durch einen ungünstigen Unfall finden sich die beiden Kakerlaken Jim und Bud nach einer Plündertour durch die Überreste des Krieges nämlich in selbigem wieder.

Ihr Ziel: Wieder an die Erdoberfläche zu gelangen. Das passiert logischerweise nicht ganz ohne Komplikationen. In der Folge trefft ihr im Untergrund auf eine Reihe von schrägen Figuren von Piraten und Kakerlaken-Hippies über gasmaskentragenden Ameisen bis hin zu Grossmutterspinnen. Dabei bleibt Journey of a Roach stets brav und versucht trotz postapokalyptischem Setting keine ernste Messages von politischer oder gesellschaftskritischer Tragweite einzubauen. Das ist aber auch gut so – Journey of a Roach ist Spass und eben nicht ernst. Skurrilität ist aber definitiv eines der Markenzeichen des Schweizer Games und dabei auf eine ganz eigene Art und Weise. Ich habe lange überlegt, woran  mich Journey of a Roach genau erinnert, ich konnte diese vage Vertrautheit aber nie wirklich an etwas festmachen. Das Adventure borgt hier aus dem grossen Schatz der Cartoongeschichte, mischt alles zusammen und würzt so lange mit Hausmittelchen, bis ein ganz eigenes Süppchen entsteht. Der Art-Style von Journey of a Roach ist fantastisch.

Das nicht nur im optischen Teil des Spiels, sondern auch in allen Soundbelangen. Der schräge Soundtrack (den es in der limitierten Version dazu gibt) erinnert hin und wieder an Grim Fandango. Zumindest, wenn man bei Grim Fandango sämtlichen Jazz und sämtliche Latin-Einlagen weggelassen und nur das die schrägen Elemente übrig gelassen hätte. Ich kann mir indes gut vorstellen, dass Leute mit weniger Hang zu seltsamer Musik sich irgendwann genervt fühlen könnten. Mir hat das wirre Gedudel allerdings gefallen. Der Soundtrack läuft sogar jetzt während dem Schreiben dieses Reviews.

Tradition mit einem Twist

So skurril sich Journey of a Roach auch anhört – es ist dennoch über weite Strecken sehr traditionell. Die Point’n’-Click-Formel funktioniert grundsätzlich wie in jedem Adventure. Wer hier von den Schweizern eine Innovationsrakete erwartet hat, wird enttäuscht sein. Die Tradition führt bei Journey of a Roach Gutes und Schlechtes zu Tage. Einerseits sind Adventure-Spieler sofort mit dem Interface und den Rätseltypen vertraut, andererseits führt das Traditionsstreben auch zu einigen absurden Puzzles, bei denen mehr als nur um eine Ecke gedacht werden muss.

Der Haupttwist von Journey of a Roach ist aber der Fakt, dass wir Kakerlaken spielen. Und Kakerlaken können natürlich, wie andere Insekten auch, an Wänden und Decken herumkrabbeln. Anfangs ist das sehr gewöhnungsbedürftig und bei den ersten zwei, drei Richtungswechseln wurde mir etwas flau im Magen. Das ist es aber Wert in Kauf zu nehmen, denn diese zusätzliche Steuerungsdimension bereichert das Spiel sowohl auf der Rätselebene, als auch auf der Orientierungsebene. Zu weit treibt es Koboldgames damit aber nicht. Die Wandkrabbelmechanik ist kein Sandbox-Element, dass plötzlich total neue und aberwitzige Möglichkeiten entstehen lässt. Es ist eine klar durchgeplante Mechanik, die seinen Zweck erfüllt, ohne sich selber ad absurdum zu führen. Zum Glück, denn das würde den Anspruch an das Rätseldesign vermutlich ins unermessliche steigern. Dass man nicht an restlos allen Wänden hin und herkrabbeln kann ist hin und wieder ärgerlich, dient dem Spielprinzip aber. So fügt sich die Mechanik nämlich nahtlos ins Spiel ein, ohne zu einem lästigen Gimmick zu werden.

Fazit

Journey of a Roach ist vor allem als Erstling von Koboldgames absolut gelungen. Dennoch wird es realistisch gesehen wohl kaum zu einem Kultspiel werden, wovon alle Adventure-Fans noch in zwanzig Jahren sprechen. Journey of a Roach ist aber ein charmantes, kurzweiliges und niedliches Point’n’Click mit viel Herz und Seele. Sowohl im Spielprinzip als auch im Roach-Universum stecken noch viel Potenzial, das in der Zukunft hoffentlich ausgeschöpft wird. Wer Adventures mag und zur Abwechslung mal ein Schweizer Studio unterstützen will, dem sei Journey of a Roach wärmstens empfohlen.

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