Pedro Almodóvar: Der Regisseur auf dem heissen Blechdach

Wer das besondere Kinoerlebnis sucht, stolpert früher oder später unweigerlich über den Namen Pedro Almodóvar, der am 25. September seinen 70. Geburtstag feiert.

Die Filme des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar sind wohl so etwas wie die Antithese des Popcorn-Kinos. Wo Hollywood maximale Zugänglichkeit (und Erlös) sucht, macht es Almodóvar zuweilen selbst seinen treuesten Fans schwer, ihn zu lieben – und dafür lieben sie ihn. Von einer fragwürdigen Stockholmsyndrom-Lovestory mit Happy End, bis hin zu einer unfreiwilligen Geschlechtsumwandlung ebenfalls mit Happy End – der Dreiklang aus verqueren Handlungssträngen, provokativen Beziehungen mit starken Frauen und Antonio Banderas (59) eint die meisten Filme von Almodóvar, der am 25. September seinen 70 Geburtstag feiert.

Vom Glauben abgefallen

Ist es Zufall, dass einer von Almodóvars ersten Filmen den Titel „Das Kloster zum heiligen Wahnsinn“ trägt? Natürlich nicht. Die sehr religiöse Erziehung während seiner Kindheit hatte genau den gegenteiligen Effekt – er entsagte der Kirche: „Ich wusste von Anfang an, dass die Priester mir nichts zu sagen hatten. In ‚Die Katze auf dem heissen Blechdach‘, einem Film von Richard Brooks, der für die Kirche der Inbegriff der Sünde war und der auf dem Werk von Tennessee Williams basierte, erkannte ich mich vollständig wieder und ich sagte mir: Zu dieser Welt der Sünde und der Entartung gehöre ich auch“, wird er im Buch „Pedro Almodóvar und der Kitsch espanol“ zitiert.

Der Regisseur auf dem heissen Blechdach, aus Überzeugung entartet – das trifft Almodóvars Oeuvre zielgenau. Seinen Ankerpunkt fand er dabei nicht im Glauben, sondern in Person diverser starker Frauen, die den homosexuellen Filmemacher umgaben. Was sogleich die gängigsten Leitmotive einer Mehrzahl seiner Werke wurde. Verschwimmende Geschlechter-Grenzen, sexuelle und emanzipatorische Befreiung, weibliche Heldinnen, aber auch Kitsch und Perversion gehören zu einem klassischen Almodóvar.

Eine treue Filmmacher-Seele

Ähnlich wie Almodóvars Filme zumeist dieselben Themen aufgreifen, setzt er hierfür auf ein illustres Ensemble spanischer oder südamerikanischer Stars. Schon in acht seiner Filme wirkte Antonio Banderas mit, sieben Mal die Argentinierin und Wahl-Spanierin Cecilia Roth (63), auch Penélope Cruz (45) wird gerne eingesetzt.

Gemeinsam wirkten Roth und Cruz, zwei der „Chicas Almodóvar“, in seinem bislang erfolgreichsten Film mit: „Alles über meine Mutter“ von 1999. Das Drama sahnte über 40 Filmpreise ab, darunter jeweils den Oscar und Golden Globe als „Bester fremdsprachiger Film“, die „Beste Regie“ in Cannes und den „Besten europäischen Film“ beim Europäischen Filmpreis. Für seinen Folgefilm „Sprich mit mir“, dieses Mal ausnahmsweise ohne grossen internationalen Star im Cast, folgte 2002 Goldjunge Nummer zwei – hier für das „Beste Drehbuch“.

Horror und Altersmilde?

Auch ins Horrorfach wagte sich Almodóvar schon und setzte in „Die Haut, in der ich wohne“ von 2011 auf denkbar drastische Weise auf all seine Markenzeichen – diverse Mindfucks inklusive. Die Handlung (Achtung, Spoiler): Banderas mimt einen von Rachegelüsten geplagten Chirurgen, der den vermeintlichen Mörder seiner Tochter gefangen nimmt, gegen dessen Willen einer Geschlechtsumwandlung unterzieht und dabei das Antlitz seiner ebenfalls toten Arztgattin verpasst. Hinzu kommen noch ein vergewaltigender Halbbruder im Tigerkostüm und eine heimliche Mutterschaft – alles andere wäre zu gewöhnlich.

Dagegen wirkt sein bislang jüngster Film „Leid und Herrlichkeit“ beinahe altersmilde. Almodóvar vereint darin seine Musen Banderas, Cruz und Roth und arbeitet halb fiktional, halb autobiografisch sein eigenes Leben auf. Banderas als übersteigertes Alter Ego Almodóvars, mit gleicher Frisur und ähnlichen Gebrechen, der als alternder, aber nach wie vor leidenschaftlicher Filmemacher eine Kreativkrise überwinden und sich dabei mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen muss. „Leid und Herrlichkeit“ ist Almodóvars Ode an die Filmkunst, jene Leidenschaft, die vermag, körperliche Leiden vergessen zu machen. Auch weit über das 70. Lebensjahr hinaus.

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