Drama in der „Lindenstrasse“: Warum muss Hans Beimer sterben?

Es ist das Ende einer TV-Ära: Hans Beimer stirbt am Sonntag den Serientod. Joachim H. Luger verlässt für immer die „Lindenstrasse“.

Das Ende kommt mit grossen Tönen. Wenn am kommenden Sonntag um 18:50 Uhr im Ersten die 1685. Folge der „Lindenstrasse“ beginnt, spielen 52 Musikerinnen und Musiker des WDR-Funkhausorchesters im Grossen Sendesaal des Westdeutschen Rundfunks die Original-Filmmusik der Serie live ein. Mit seelenweichen Streicherklängen und einer wimmernden Mundharmonika. Ein vorgezogenes Requiem für Vater Beimer.

30 Minuten später ist der gute Hans Beimer, eine der Hauptfiguren der Endlos-Soap, mausetot. „Um Himmels Willen“, klagen die Fans der „Lindenstrasse“. „Gott sei Dank“, freuen sich die „Lindenstrassen“-Hasser, „wieder einer weniger!“

Die Leiden des Hans Beimer

Vater Beimer muss sterben, weil sein Darsteller Joachim H. Luger (74) endlich ein anderes Leben haben möchte. Fast 33 Jahre spielte er die männliche Hauptrolle. Das spricht für seine Leidensfähigkeit, denn dieser Hans Beimer hat mit seiner Parkinson-Erkrankung, zwei wahrlich anstrengenden Ehefrauen und dem lebenslangen Gezerre um seine Ideale wirklich kein leichtes Dasein gefristet.

Vater Beimer hat sieben Kinder gezeugt, das letzte mit fast 70. Die Karriere, anfangs als Sozialarbeiter, war auch nicht das Gelbe vom Ei, und dann noch die Schüttellähmung – wer möchte ihm das bisschen Hasch missgönnen, das er gemeinsam mit seiner Frau heimlich auf dem Speicher selbst zieht, um die Symptome seiner Krankheit zu lindern? Doch nun ist es ausgestanden, das Jammertal der „Lindenstrasse“.

Hans W. Geissendörfer erinnert sich

Es war gar nicht einfach, die Rolle des Durchschnittstypen Hans Beimer zu besetzen. Der Erfinder der „Lindenstrasse“, Regisseur und Produzent Hans W. Geissendörfer (77), war 1985 beim Start mit so gut wie allen Castings durch. „Nur für eine der wichtigsten Männerrollen konnte ich niemanden finden. Über 80 Gespräche und ‚Begutachtungen‘ brachten kein Ergebnis. Ich begann bereits an meiner Rollenidee, der Figur in meinem Kopf, zu zweifeln, aber da stand er plötzlich vor mir: Joachim Hermann Luger! Er hatte von dem Casting gehört. Sofort war mir klar: Helga Beimer hat ihren Hans!“

Geissendörfer schwärmt noch heute von der Königsidee, Luger zu seinem Beimer zu machen und Helga Beimer (Marie-Luise Marjan) den passenden Ehemann zu geben: „Ein Paar, wie ich es mir erträumt hatte: zwar ein bisschen spiessig, aber zugleich auch weltoffen; konservativ, aber auch wieder modern… Wenn ich mich recht erinnere, verzichtete ich auf Probeaufnahmen und gab Luger einen Vertrag über ein erstes Jahr. Und vom ersten Drehtag an vermochte er mit Liebe und Können den Hans Beimer zu verkörpern. Er hat diese Figur stets ernst genommen, er hat sie akzeptiert wie sein zweites Ich.“

Zwar sieht Vater Beimer aus wie ein Biedermann, was er ja auch ist, doch in ihm schlummern Abgründe. Bereits 1988 verliebt er sich in die junge Nachbarin Anna Ziegler (Irene Fischer); er lässt seine „Taube“, Mutter Beimer, und die drei Kinder Marion, Klaus und Benny im Stich und heiratet die Neue. Da ist die „Lindenstrasse“-Community erstmal entsetzt.

Joachim H. Luger will zu neuen Ufern aufbrechen

Nun also der wohlverdiente Serientod des Papa Beimer. Er wurde im Frühjahr beschlossen, als Joachim H. Luger seinen Ausstieg verkündete. Schliesslich habe er auch noch ein Leben: „Im Oktober werde ich 75 Jahre alt und da möchte ich noch einmal Neues wagen, einfach freier in meinen Möglichkeiten und Entscheidungen sein, mehr Theater spielen oder vielleicht auch in andere Rollenfiguren schlüpfen. Und ich möchte gern mehr Zeit für meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder haben. Wenn ich zu neuen Ufern aufbreche, dann meine ich damit auch, dass ich meiner Segel-Leidenschaft mehr nachgehen kann.“

Der Schritt, sich nach über drei Jahrzehnten von der Figur Hans Beimer, von dem „sehr vertrauten“ Ensemble und Team zu verabschieden, sei ihm nicht leichtgefallen. „Die ‚Lindenstrasse‘ war wie eine zweite Familie für mich, ich habe mich immer sehr aufgehoben gefühlt.“

„Die Ruhe nach dem Sturm“

Allerdings mag er nicht verraten, wie und warum Vater Beimer, der gerade für den Jakobsweg trainiert, aus dem Leben scheidet. Zwar hatte er in der letzten Folge schon mit schlimmen Bewegungsstörungen zu kämpfen, Dr. Brooks bescheinigt ihm aber insgesamt eine „Top-Konstitution“. Am Ende sieht man Beimer mit seiner Anna glücklich vereint, er bedankt sich bei ihr „für alles“ mit einem liebevollen Kuss. Statt Abschied ins Jakobsweg-Abenteuer steht den beiden aber der Abschied für immer bevor…

Auch der verantwortliche Sender WDR macht ein grosses Geheimnis um den Tod von Beimer. In einer Pressemitteilung heisst es lediglich, dass in der Folge „Die Ruhe nach dem Sturm“ Hans im Wald ist und Helga ihn suchen geht. Mittlerweile ist Hans aber wieder zu Hause und sucht nun seinerseits Helga im Wald. Schliesslich sind alle – auch Klaus, Andy und Anna – im Wald und suchen einander. Wie dem auch sei: „Die Situation gerät ausser Kontrolle“, verspricht der Pressetext.

So schwurbelt sich die Dramatik in qualvolle Höhen, am Ende ist Hans nicht mehr, und alle weinen. Er ist der 45. „Lindenstrasse“-Tote seit 1985. Fortsetzung folgt.

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