Sinkende Quoten: Herrscht ein „Tatort“-Überdruss?

Endlich Sommerpause: Angesichts der Quoten scheint das Land einen „Tatort“-Detox nötig zu haben. Das Format selbst könnte eine Entschlackungskur ebenfalls gut gebrauchen.

Wenn nach dem Schweizer Fall „Ausgezählt“ am 16. Juni wieder die alljährliche Sommerpause beim „Tatort“ eingeläutet ist, bedeutet das für eingefleischte Krimi-Fans Entzug – für das Format aber eine dringend notwendige Pause. Denn bei so manchem Zuschauer scheint sich ein gewisser „Tatort“-Überdruss einzustellen. Kein Wunder, wenn man einen Blick auf die Zahlen wirft.

Wenige echte Quotenbringer

Zieht man Bilanz über das erste „Tatort“-Halbjahr, zeigt sich ein Rückgang an echten Quoten-Highlights. Nur drei Filme knackten die 10-Millionen-Marke: „Spieglein, Spieglein“ der Erfolgsgaranten aus Münster (13,58 Millionen Zuschauer), der Kölner Fall „Weiter, immer weiter“ (10,57 Millionen), und „Wahre Lügen“ aus Wien (10,45 Millionen). Zum Vergleich: Im Vorjahr schafften das bis zur Sommerpause noch neun Filme.

Nun dürfte ein Rückgang von echten Quotenknallern noch kein Grund zur Panik sein, doch ist er ein Symptom einer „Tatort“-Übersättigung, die nicht von der Hand zu weisen ist.

Überdruss durch Überfluss?

Zählt man Heike Makatsch (47) als Kommissarin Berlinger dazu, die bisher zwar erst in zwei „Tatort“-Osterspecials zu sehen war, aktuell aber ihren dritten Fall dreht – ermitteln derzeit 22 Teams im deutschsprachigen Raum. Man lasse sich diese Zahl mal auf der Zunge zergehen. Wenn nicht demnächst das Ermittler-Team Wiedenborstel vorgestellt wird oder neben Hamburg auch weitere Städte doppelt besetzt werden, dürften sämtliche Optionen langsam abgegrast sein.

Nun liesse sich argumentieren, dass diese Teams und Kommissare mit all ihren Macken, Eigenheiten und Lokalkolorit eben Abwechslung in das Krimi-Franchise bringen. Schliesslich ist für jeden was dabei – Comedy-Fans zieht es nach Münster oder Weimar, Action-Fans nach Hamburg zu Nick Tschiller (Til Schweiger).

Oder, und so scheint es derzeit, der Markt ist einfach übersättigt. Das zeigt sich auch an der schieren Zahl der neuen Folgen, die jährlich auf den Zuschauer einprasseln. Waren es 1978 noch 12 neue Folgen jährlich, stieg diese Zahl stetig an: 1998 mussten „Tatort“-Fans die Zeit für 26 neue Filme finden, und 2018 waren es 37.

Genug von Experimenten

Kein Wunder, dass hier das klassische „whodunit“ immer wieder aufgebrochen wird und mit narrativen Kniffen experimentiert wird. Das geht manchmal erstaunlich gut – siehe der Meta-„Tatort“ „Wer bin ich?“ (2015), in dem sich Ulrich Tukurs Figur Felix Murot selbstständig macht, um am Ende des Films dann auf seinen Darsteller zu treffen. Andere Experimente wie der berüchtigte Improvisations-Film „Babbeldasch“ mit Laiendarstellern sorgte hingegen für grosse Verärgerung – und Entfremdung – bei Krimi-Fans.

Erzählerischer Mut und narrative Experimente sollen nicht aussterben, doch ist in das alteingesessene TV-Format, zwischen altbackener Titel- und Schlussmelodie, nicht immer der richtige Rahmen dafür.

Dem „Tatort“ täte eine Entschlackungskur also durchaus gut: Weniger Teams, nicht mehr als zwei Filme monatlich – und die übrige Sendezeit für neue Formate nutzen. Ideen sind in den Redaktionen der ARD Degeto ja offenbar reichlich vorhanden. Nur scheint der Mut zu fehlen, die in einem anderen Rahmen als dem „Tatort“ ausprobieren zu wollen. Die Sommerpausen-Lücke füllt das Erste jedenfalls erstmal mit jeder Menge „Tatort“-Wiederholungen.

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