Fritz Kalkbrenner: „Ich bin eher gediegener geworden“

Fritz Kalkbrenner zählt zu den alten Hasen unter den DJs. Jetzt veröffentlicht der Berliner sein sechstes Album „True Colours“. Ein Album, auf dem der Musiker mit der Zeit geht, auch wenn seine eigenen wilden Zeiten vorbei sind.

Seinen grossen Durchbruch hat er gemeinsam mit seinem älteren Bruder Paul und dem Song „Sky and Sand“ gefeiert. Nun bringt Fritz Kalkbrenner (38) mit „True Colours“ sein mittlerweile sechstes Album auf den Markt. Es enthält neben elektronischen Songs mit Liebe fürs Detail einige Nummern, auf denen Kalkbrenner selbst singt. Ab dem 14. März hätte es für den Berliner eigentlich damit auf Tour gehen sollen – daraus wird wegen der Corona-Krise allerdings nichts. Die Tour wurde auf Oktober verschoben. Zuvor wird sich Kalkbrenner aber bei einigen Sommerfestivals aufwärmen können. Bei diesem straffen Programm muss der Enddreissiger natürlich auf seine Gesundheit achten. Während seiner Auftritte verzichtet er mittlerweile auf Alkohol. „Saufen am Tisch mache ich nicht mehr viel“, verrät er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news und erklärt, was es mit seinem Albumtitel auf sich hat.

Ihr neues, mittlerweile sechstes Album, heisst „True Colours“. Auf was bezieht sich der Albumtitel?

Fritz Kalkbrenner: Im Englischen bedeutet das „sein wahres Gesicht zeigen“. Als Künstler – selbst wenn man keine Kunstfigur ist und sich eher zugänglicher gibt – ist man trotzdem in unterschiedlichen Situationen ein anderer. Man kann sich dem nicht entziehen, eine Kunstfigur zu sein. Das ist aber ganz natürlich. Die Menschen wechseln ganz flüssig zwischen den formellen und informellen Situationen. Aber gerade als Künstler setzt man sich mit der Frage auseinander: „Wie ehrlich ist man selbst?“ „True Colours“ formuliert den Wunsch, stückweise immer näher und ehrlicher zu sich selbst und zu seinem Gegenüber zu sein.

Bleiben wir gleich bei „ehrlich zu sich selbst sein“: Mussten Sie schon einmal etwas an sich feststellen, das Ihnen gar nicht gefallen hat?

Kalkbrenner: Frisch gewaschene Wäsche wegsortieren: Darin bin ich nicht gut. Die stapelt sich bei mir und ich bekomme Ärger von der Reinigungskraft. Daran muss ich arbeiten und irgendwann bekomme ich es hin!

Wie lange dauert es, bis Sie zufrieden mit Ihrer Arbeit sind?

Kalkbrenner: Das ist unterschiedlich. An manchen Songs arbeite ich einige Tage, an anderen eine Woche. Die muss ich auch mal zwei Monate weglegen und kümmere mich erst wieder darum, wenn Ruhe einkehrt. So wie es mir von der Hand geht.

Woher kommt Ihre Inspiration?

Kalkbrenner: Die kommt aus dem Leben. Nicht-Musiker haben die Vermutung, dass Musiker das aufgrund einer signifikanten oder singulären Erfahrung machen. Weil ihnen zum Beispiel der Bus über den Fuss gefahren ist und sie den Schmerz spüren. So einfach ist es nicht. Die vergehenden Lebensjahre und Erfahrungen – gute wie schlechte – werden in einem Paket in der Magengrube gesammelt und umgeschichtet. Das nennt man wahrscheinlich Lebenserfahrung. Als Musiker übersetzt man das dann. Da gibt es nicht dieses eine Grosse.

Wie sieht es denn mit Songs auf Deutsch aus? Könnte das was für die Zukunft sein?

Kalkbrenner: Nicht bei mir! Das sollen Max Giesinger und seine Kollegen machen. Ich komme aus einer Zeit, in der Englisch die Sprache des Pop war – und diese Fähre habe ich nicht gewechselt. Das ist so eine Entwicklungsfrage und ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach dem sechsten Album noch die Pferde wechsle.

Inwiefern spiegelt das Album eine persönliche Entwicklung wider?

Kalkbrenner: Ich mache das jetzt 15 bis 20 Jahre und beherrsche das Handwerk des Produzierens. Aber man kann nur durch sein eigenes Augenpaar die Welt sehen. Bei dem Album war schon frühzeitig klar, dass ein neuer, frischerer Sound als Update sehr gut passen würde. Als ich noch im Skizzen-Stadium war, habe ich mich mit befreundeten und bekannten, jungen Produzenten, wie Ben Böhmer, Felix Lehmann, Henrik Müller oder Conrad Hensel, auseinandergesetzt und sie gefragt „Jungs, was wäre denn euer Entwurf? In welche Richtung würde es gehen?“ Und dann fängt man an, Ping Pong zu spielen. Die gemeinsame Arbeit ergänzt sich sehr gut und es ist ein sehr schönes, modernes Update dabei herausgekommen.

Neben der Musik ist Ihre grosse Leidenschaft Wein. Sie haben sogar gemeinsam mit einem Winzer einen eigenen Wein auf den Markt gebracht. Bei Instagram zeigt eines Ihrer Bilder eine Flasche Wein neben dem DJ-Pult stehen. Wie viel Wein gönnen Sie sich denn bei Auftritten?

Kalkbrenner: Bei Shows bin ich davon weggekommen. Saufen am Tisch mache ich nicht mehr viel. Ich bin eher gediegener geworden. In der Hitze und Hektik schlürft man sonst vieles so unbewusst weg, das muss nicht sein. Lieber trinke ich abseits der Show.

Eine feiernde Meute ist sicherlich eine Bestätigung für einen Musiker. Aber hatten Sie auch schon negative Bühnenerlebnisse?

Kalkbrenner: Bei einer Konzertshow in Leipzig hat eine junge Dame, die wahrscheinlich ihre Freude zum Ausdruck bringen wollte, ihren Absatzschuh auf mich geworfen. Aber mit einem Rugbyarm! Der Schuh ist mir mit dem Absatz gegen die Stirn geknallt. Das hat gesessen. Ich war dann sogar kurz unter dem Tisch. Das war für den Rest der Show eine blutige Angelegenheit.

Für was interessieren Sie sich neben Musik und gutem Wein?

Kalkbrenner: Ich bin ein grosser Fan von automatischen und mechanischen Armbanduhren aus den 60ern. Ich habe einige kleine, alte Armbanduhren, etwa zwölf Stück. Ich hatte aber auch schon wildere Zeiten. Ich bin ja kein Oktopus und kann nicht alle gleichzeitig tragen, aber so kann ich immer gut durchwechseln. Und Rücksäcke! Männer können nicht genug Rucksäcke haben. Das ist wahrscheinlich das Äquivalent zu den Handtaschen. Ich habe bestimmt mehr als zehn Stück.

Gibt es ein Hobby, das Sie gerne mal ausprobieren wollen?

Kalkbrenner: Apfelsaft selbst machen. Das wäre mal was. Dafür müsste ich aber wohl aufs Land. Mal sehen, ob ich das in ein paar Jahren hinbekomme. Nach dem eigenen Wein kommt der eigene Apfelsaft – das wäre doch schön.

Vorheriger ArtikelPornhub verschenkt Premium-Zugänge für Italien
Nächster Artikel#StayTheFuckHome: Dieses Twitter-Hashtag soll Leben retten