Wird Thomas Gottschalk heute zu wenig gewürdigt?

Thomas Gottschalk war Jahrzehnte lang ein gefeierter Entertainer. Danach folgten mehrere TV-Pleiten. Was diese mit dem Kultformat „Wetten, dass..?“ zu tun haben, erklärt Autor Ulli Wenger im Interview.

Thomas Gottschalk (69) ist nach wie vor einer der grössten und beliebtesten deutschen Entertainer. Jahrzehnte lang wurde er für seine Spontanität, Witz und Charme gefeiert. Daran erinnert das Buch „Thomas Gottschalk – kleine Anekdoten aus dem Leben eines grossen Entertainers“ von Ulli Wenger, das am 17. März im mvg Verlag erscheint. Im Interview mit spot on news erklärt der Autor, was das Erfolgsgeheimnis des Moderators ist und warum sich die Erfolgskurve mit dem Aus bei „Wetten, dass..?“ so dramatisch änderte.

Was erfahren Gottschalks Fans in Ihrem Buch Neues, was sie nicht in seinen beiden Biografien „Herbstblond“ (2016) und Herbstbunt“ (2019) erfahren haben? Oder anders gefragt, warum ist es eine willkommene Ergänzung?

Ulli Wenger: Weil auch er in zwei Büchern nicht alles aus seinem schillernden Leben verraten hat. Seine erste Liebe Bonnie hat er ebenso verschwiegen wie seinen Fauxpas mit dem Münchner Sophie-Scholl-Gymnasium. Oder wie er Thea mit seinen Bügelkünsten beeindruckt hat. Ich schildere viele Geschichten nicht nur aus seiner Sicht, sondern aus mehreren Perspektiven, denn erst dann wird’s auch eine runde Sache!

Haben Sie Thomas Gottschalk um seine Mitarbeit gebeten?

Wenger: Ja. Er fühlte sich sehr geehrt, als ich ihm andere Bücher aus dieser Reihe zeigte. Deshalb wollte er mir ursprünglich auch das Vorwort liefern. Leider hat das dann nicht geklappt, weil er im Vorweihnachtsstress zwischen Baden-Baden, Los Angeles, New York und Las Vegas einfach nicht mehr dazu kam. Stattdessen hat er Fritz Egner gebeten, diesen Job zu übernehmen.

Und der schreibt in seinem Vorwort: „Thomas Gottschalk ist der Medien-Entertainer, der Radio und Fernsehen in Deutschland aus den verstaubten Ecken der Unterhaltungsbeamten und Conferenciers herausholte und Wegbereiter war für viele von uns.“ Sehen Sie das auch so?

Wenger: Unbedingt! Sein Vorbild war bekanntlich Hans-Joachim Kulenkampff. Auch der moderierte zuerst im Radio, redete immer, wie ihm der Schnabel gewachsen war, flirtete mit jeder Frau und überzog seine Shows hemmungslos. Gottschalk war 30 Jahre jünger als „Kuli“, gehörte aber schon zur Nachkriegsgeneration und konnte so viel unbekümmerter und lausbübischer auftreten. Anders als Kuli hat er schon eine Teenagergeneration übers Radio für sich begeistern können, und die haben ihm später vor dem Bildschirm auch jahrzehntelang die Treue gehalten.

Wird das heute zu wenig gewürdigt?

Wenger: Ja, zumindest von der Generation, die mit Smartphone und Social Media aufgewachsen ist. Die kennt ihn gar nicht mehr aus dem Radio („Pop nach acht“), hat selten „Wetten, dass..?“ geschaut, und ihn allenfalls noch in der Werbung oder bei skurrilen TV-Auftritten neben Heidi Klum oder Dieter Bohlen erlebt.

Was ist generell das Erfolgsgeheimnis von Thomas Gottschalk?

Wenger: Dass er stets „auf Sendung“ ist, egal, ob irgendwo gerade eine Kamera läuft oder nicht. Er kann sich immer auf seine Schlagfertigkeit verlassen, findet eigentlich in jeder Situation die passende Pointe. Braucht aber auch immer Publikum und im Idealfall einen Sparringspartner wie Günther Jauch. Mit Gottschalk wird’s nie langweilig.

Warum war der Entertainer so viele Jahre lang so beliebt?

Wenger: Weil er sich nie hat verbiegen lassen, er war im besten Sinne auch unberechenbar. Das hat doch den Reiz von „Wetten, dass..?“ ausgemacht. Du wusstest zwar, dass Weltstars dort auftreten, aber nie, was genau passiert. Ob sich ein Baggerfahrer blamiert oder eine Sängerin entblösst, welche Wette gelingt oder wie lange ein Hollywood-Star es auf der Couch aushält. Aber alles undenkbar ohne Gottschalk, den zentralen Zeremonienmeister.

Was steckt hinter den TV-Pleiten der vergangenen Jahre?

Wenger: Gottschalk war „Wetten, dass..?“ und umgekehrt. Da passte einfach alles. Auch Günther Jauch hat sich mal gefragt, warum die Sendungen seines Freundes ausserhalb von „Wetten, dass..?“ nicht gleichermassen funktionieren. Jauchs Fazit: „Er braucht das Fluidum dieser grossen Live-Shows“.

Warum haben Sie das Kapitel „Die Tragödie des Samuel Koch“ mit in Ihr Buch aufgenommen?

Wenger: Weil es der Wendepunkt in Gottschalks Leben war. Thomas macht sich bis heute Vorwürfe, dass er den jungen Leistungsturner nicht von seiner Wette abgehalten hat: „Sein Ehrgeiz war grösser als meine Bedenken“. Er hat die Show damals unterbrochen mit dem Satz „Sie sehen mich am Ende meiner Kunst“. In diesem Moment war klar: Das ist auch das Ende „seiner“ Show. Umso mehr freue ich mich auf das einmalige Revival am 7. November in Offenburg – sofern Corona das erlaubt.

Sie erzählen auch von Thomas Gottschalks neuer Liebe. Wie sehr hat Sie die Trennung überrascht?

Wenger: Ich fiel aus allen Wolken. Ich dachte wirklich, Thea und er machen’s wie Queen Elizabeth und Prinz Philip und feiern nicht nur die Goldene, sondern auch noch die Gnadenhochzeit.

Was verbindet Sie persönlich mit Karina Mross?

Wenger: Karina lernte ich 1987 während meines Volontariats beim damaligen Südwestfunk in Baden-Baden kennen. Eine sehr attraktive Frau, sie arbeitete im Zeitungsarchiv und war die Freundin eines Mit-Volontärs. Wir beide verstanden uns auf Anhieb gut, deshalb war ich oft und gerne bei ihr, wenn ich für meine Radiobeiträge etwas zu recherchieren hatte.

Was ist Ihre persönliche Lieblingsanekdote und warum?

Wenger: Eine schwierige Frage. Es sind schliesslich 37 Anekdoten und in jeder einzelnen steckt ganz viel Herzblut drin. Ich entscheide mich für das Kapitel über den Münchner Starkoch Alfons Schuhbeck. Mit ihm hat Gottschalk schon sehr früh im Radio gekocht („Der wollte immer mit dem Geweih umrühren!“), ausserdem haben sie mit Arnold Schwarzenegger gemeinsam im Fitnessstudio geschwitzt. Nicht zuletzt sind die beiden TV-Stars auch Mitglieder der sehr exklusiven „Marinekameradschaft Lohengrin“.

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