Zum 65. Geburtstag von Angus Young: „Perpetuum mobile der Rockmusik“

Angus Young feiert am Dienstag seinen 65. Geburtstag. So machte der legendäre Leadgitarrist AC/DC zu einer der grössten Rockbands der Welt.

Angus Young (65) ist vielleicht der Inbegriff von innerer Grösse. Der schmächtige AC/DC-Gitarrist misst 1,57 Meter und wirkt auch sonst nicht so, als könne er die Welt aus den Angeln heben. Wenn er in Interviews sitzt, friedlich und dauerrauchend, und lakonisch Fragen beantwortet, würde man Young nicht mit dem Leadgitarristen einer der erfolgreichsten lebenden Live-Bands assoziieren. Abseits der Musik malt er am liebsten Landschaftsbilder in seiner zweiten Heimat im niederländischen Aalten.

Doch gibt man ihm eine E-Gitarre in die Hand, mutiert er zum dauernervösen Ziehaufmännchen, zum Perpetuum mobile der Rockmusik. „Angus Young ist Clark fucking Kent“, erklärte Sänger Brian Johnson (72) 2008 gegenüber dem amerikanischen „Rolling Stone“. „Er geht in eine Telefonzelle – und kommt als 14-jähriges Teufelchen wieder heraus, das nur noch hemmungslos rocken will.“

Mit AC/DC in den Rock-Olymp

Am 31. März 1955 wurde Angus McKinnon Young im schottischen Cranhill bei Glasgow geboren, wenig später wanderte er mit seiner Familie nach Australien aus. Zusammen mit seinem Bruder Malcolm (1953-2017) stellte er Anfang der Siebziger die Band AC/DC zusammen und tingelte durch kleinere lokale Clubs. Die Idee für den Bandnamen geht auf die Nähmaschine von Angus‘ und Malcolms Schwester Margaret zurück. Dort stand „AC/DC“ – die Abkürzung für alternating current bzw. direct current (Wechselstrom/Gleichstrom). Die Brüder sahen darin den passenden Namen für die rohe Energie und kraftvollen Auftritte der Band.

Nachdem sie ihren ursprünglichen Sänger Dave Evans durch die Ausnahmeerscheinung Bon Scott ersetzt hatten, erarbeitete sich die Band als neue Live-Sensation schnell eine beachtliche Fanbase in und um Sydney. Ein Plattenvertrag bei Atlantic Records und Klassiker-Alben wie „Let There Be Rock“ (1977), „Powerage“ (1978) oder „Highway To Hell“ (1979) waren die logische Folge. Nach Bon Scotts Tod 1980 fanden AC/DC mit Brian Johnson einen mehr als würdigen Nachfolger – das erste gemeinsame Album „Back In Black“ ist ihr erfolgreichstes überhaupt und eines der meistverkauften aller Zeiten.

Riff-Maschinerie der Gebrüder Young

Neben der beiden Reibeisen-Stimmen von Scott und Johnson waren es natürlich die treibenden Riffs von Rhythmusgitarrist Malcolm und der bissige Solo-Gitarrenton von Angus, die den AC/DC-Sound von Anfang an geprägt hatten – oder wie es Slash von Guns N‘ Roses einmal ausdrückte: „Malcolm und Angus haben mit drei Akkorden mehr erreicht als jeder andere Mensch.“ „Highway To Hell“, „You Shook Me All Night Long“ oder „Thunderstruck“ entspringen wie so ziemlich jeder andere Song dem minimalistischen Konzept der Riff-Maschinerie der Gebrüder Young, die AC/DC dadurch zu Legenden der Rockmusik gemacht haben. Young selbst spielt seine Fertigkeiten in Interviews oft herunter. „Ich bin kein typischer Solist“, urteilte der Leadgitarrist einmal über seine Virtuosität. „Es ist nur eine Farbe, die ich einstreue, um Spannung zu erzeugen.“

Diese Spannung, die Angus Young im Zusammen- bzw. Wechselspiel mit seinem Bruder Malcolm über Jahrzehnte aufrechterhalten hatte, glich der Energie eines Atomkraftwerks und der Genauigkeit einer Atomuhr. Doch leider hörte dieses Rock’n’Roll-Uhrwerk im Jahr 2014 plötzlich auf, zu ticken – Malcolm musste die Band wegen einer fortgeschrittenen Demenz verlassen. Am 18. November 2017 verstarb er. Ein enormer Schicksalsschlag für Angus, der nicht sein letzter bleiben sollte. Neben seinen anderen Brüdern ist mit Margaret im November vergangenen Jahres nun auch der letzte Geschwisterteil gestorben.

Duckwalk, Striptease und der Blues

Zu Angus Youngs optischen Markenzeichen liessen sich mittlerweile ganze Bücher füllen. Die Geschichte zur Schuluniform, die er im Laufe einer AC/DC-Show beim obligatorischen Striptease ablegt, stammt noch aus seiner Schulzeit. Damals verschwand Angus damit direkt nach dem Unterricht im Proberaum zum Jammen. Den charakteristischen Duckwalk hat sich Angus Young von seinem grossen Idol Chuck Berry abgeschaut. Der 2017 verstorbene Musiker dürfte als Rock-Pionier der Inspirator für die Gründung der Hard-Rock-Band gewesen sein – die Gruppe selbst sah sich immer als „Rock’n’Roll Band“.

Bei seiner kulminierenden Solo-Show, die für viele den Höhepunkt eines AC/DC-Konzerts darstellt, zappelt Angus Young unter erratischem Zucken auf dem Boden eines Podests, als würde Strom durch seinen Körper fliessen und er sich tatsächlich entladen. Sein Spiel leidet aber bemerkenswerterweise nie darunter. Alkohol oder Drogen hat der Gitarrist übrigens niemals angerührt. Doch hinter der ganzen Show steckt laut Jerry Cantrell von Alice In Chains „der wahre Gott der Blues-Gitarre“. Auf der „Rolling Stone“-Liste der besten Gitarristen aller Zeiten steht Angus Young auf Platz 24. Mit seinem vom Blues durchtränkten Spiel und seiner ikonischen E-Gitarre, einer meist roten Gibson SG, die mit ihren Aussparungen ein wenig an Teufelshörner erinnert, hat Young unzählige Gitarristen beeinflusst.

Let There Be Rock

Trotz des tragischen Verlusts von Malcolm Young und dem zeitweise drohenden Gehörverlust von Sänger Brian Johnson – ihn musste auf der „Rock Or Bust“-Tour 2016 Axl Rose von Guns N‘ Roses ersetzen – kam ein Auflösen der Band für Angus Young nie in Frage. Womöglich auch, weil der Goldesel AC/DC mittlerweile viel zu gross und wertvoll geworden ist, um ihn einfach sterben zu lassen. Merchandise, Werbeeinnahmen, Platten- und Ticketverkäufe – aus der australischen Pub-Truppe hat sich eine globale Musik-Marke mit einer der grössten Bühnenshows der Welt gemausert. Irgendwie muss es weitergehen. Die Anzeichen verdichten sich immer mehr, dass in sehr naher Zukunft ein neues AC/DC-Album erscheint. Vielleicht sogar noch in diesem Jahr. Und solange Angus Youngs Finger über das Griffbrett seiner Gibson flitzen können, wird der „Rock’n’Roll Train“ weiterrollen.

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