Leslie Mandoki: „Junge Künstler stehen jetzt am Rande ihrer Existenz“

Leslie Mandoki ist besorgt: Die Folgen der Corona-Pandemie treffen junge Künstler besonders hart. Im Interview verrät der Musiker, wie er selbst seine Zeit in der Krise verbringt und warum er auch Chancen darin sieht.

Konzerte sind abgesagt, Festivals können nicht stattfinden. Musiker sind von der Corona-Krise besonders betroffen. Leslie Mandoki (67) denkt in der Corona-Krise an die Newcomer in der Musik-Branche. „Ich mache mir grosse Sorgen um die vielen vor allem jungen Künstler, die auf die kleineren Bühnen und Festivals angewiesen sind und schon wegen dem Paradigmenwechsel der Musikindustrie in den letzten 15 Jahren keine Rücklagen bilden konnten“, erzählt er im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. „Junge Künstler, die im Aufbau ihrer Karriere sind, stehen jetzt am Rande ihrer Existenz und fühlen sich buchstäblich von aller Welt verlassen.“

Mandoki mache sich „viele Gedanken, wie wir als etablierte Musiker unsere Berufskollegen noch effektiver unterstützen können“. Dazu telefoniere er oft mit den für die Künstler zuständigen Verbandschefs und auch mit politischen Entscheidungsträgern. „Unsere Branche wurde als Erstes von dem Shutdown betroffen und wird als Letztes hochgefahren“, sagt der 67-Jährige.

Diese Chancen sieht Leslie Mandoki in der Krise

Die Corona-Krise habe zwar die Betriebsamkeit in seinem Tonstudio und die alltägliche Routine „extrem heruntergebremst, aber die Kreativität und gesellschaftliche Verantwortung eines Künstlers lassen sich nicht in Quarantäne sperren, ganz im Gegenteil“. Denn er sehe auch eine Chance in der Krise, nämlich „etliches an unserem Wertesystem neu zu justieren“.

„Die gesellschaftliche Vollbremsung infolge der Bedrohung durch die Pandemie eröffnet uns auch die Chance zu einer Kurskorrektur unseres gesellschaftspolitischen Leitbildes, damit die Achtsamkeit über die Gier siegt, die Menschlichkeit über die Gleichgültigkeit“, führt Mandoki aus.

Freizeit in der Corona-Krise: Kino mit der Familie

„Da jetzt alle meine drei Kinder zu Hause sind, bekomme ich Generationenimpulse viel intensiver mit und ich denke viel darüber nach, was meine Frau als Allgemeinärztin jeden Tag in ihrer Praxis erlebt“, erzählt der Musiker weiter. „Aber auch die Angst, die die Menschen vor der Zukunft haben, ist überall gegenwärtig.“ Er selbst habe in der Isolation „eine neue Art des Musizierens entdeckt“. Mit den Mandoki Soulmates in New York, Los Angeles und London könne der 67-Jährige sich nun „live verbinden und wir können gemeinsam Neues entstehen lassen“.

Seine zeitlichen Freiräume in der Krise hat Mandoki genutzt, um seine Bibliothek umzuräumen. „Ich bin so wieder auf unfassbare literarische Kostbarkeiten, vor allem von Philosophen, gestossen“, sagt er. „Ich habe Bücher gefunden, die ich vor Jahrzehnten gelesen habe, und entdeckte beim Blättern viele spannende Denkanstösse.“ In seinem Studio gebe es ausserdem ein Kino mit zwölf Plätzen, das er sonst nur beruflich nutze. „In diesen Tagen spaziere ich oft mit meiner Familie hinüber und geniesse dort Film-Klassiker, aber auch Biopics von spannenden Musikern“, erzählt er.

Darauf freut er sich nach der Krise

In der Corona-Krise gehe es um „unsere gesellschaftliche Verantwortung, um ‚Danke‘ an alle zusagen, die uns jetzt durch diese Krise helfen“, erklärt Mandoki. Mit den Mandoki Soulmates bedankt sich der Musiker in dem Non-Profit-Song „Thank You“ bei „all den Alltagshelden im Gesundheitswesen, in der öffentlichen Ordnung und in der täglichen Nahversorgung“. „Wir Künstler sollten jetzt alle da sein für unser Publikum, wenn auch vorübergehend nur auf unseren digitalen Kanälen“, ruft Mandoki zudem auf. „Unsere Stimme bleibt nur so laut, wie die Zuneigung unseres Publikums uns das gestattet. Jetzt gilt es für uns, diese Zuneigung auch in der Krise zurückzugeben.“

„Ich freue mich auf die Zeit, wenn das kulturelle Leben wieder starten kann und wir wieder direkt unserem Publikum begegnen können“, sagt Mandoki über die Zeit nach der Krise. „Aber vor allem hoffe ich, dass wir nach der Krise dazugelernt haben werden. Krisen wie diese entblössen nicht nur unsere Welt, sie reissen auch ein Loch in das Gewebe unserer Normalität.“

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