„Tesla“ mit Ethan Hawke: Halb Biopic, halb PowerPoint-Präsentation

Wer war Nikola Tesla, dieses verkannte Genie? Der gleichnamige Film widmet sich dieser Frage sowohl auf kunstvolle und verkünstelte Weise.

Einem aussergewöhnlichen Mann muss auch ein aussergewöhnlicher Film gewidmet werden. Dieser Auffassung ist jedenfalls Regisseur Michael Almereyda (61), der mit dem Biopic „Tesla“ (ab 20. August im Kino) das Schaffen des zu Lebzeiten verkannten Genies Nikola Tesla (Ethan Hawke, 49) auf innovative Weise beleuchtet. An einigen Stellen verkünstelt sich Almereyda jedoch – etwa, wenn Tesla plötzlich zum Karaoke-Mikro greift und einen Song von Tears For Fears schmettert.

Das Genie aus der zweiten Reihe – darum geht es

Die Handlung von „Tesla“ setzt im Jahr 1884 ein, als der serbischstämmige US-Immigrant Nikola Tesla seinen Job beim Erfinderkollegen Thomas Alva Edison (Kyle MacLachlan, 61) nach nur wenigen Monaten hinschmeisst. Zwischen den beiden entwickelt sich daraufhin eine über Jahrzehnte andauernde Rivalität, die sich auch in ihrer Arbeit widerspiegelt. Im „War Of Currents“ (Deutsch: „Stromkrieg“) führt Edison seine Gleichspannung in den Ring, während Tesla als Cheferfinder von Westinghouse Electric für Wechselspannung steht.

Mindestens genauso erbittert wie mit Edison scheint Tesla mit sich selbst und der Gesellschaft zu ringen. Immer opulenter werden seine Zukunftsvisionen, immer schwerer fällt es seinen Mitmenschen und Geschäftspartnern, Schritt zu halten. Ist Tesla seiner Zeit einfach nur hoffnungslos voraus – oder doch ein Spinner?

Noch immer ein Rätsel

Bis heute umgibt den klangvollen Namen Tesla ein ungewöhnliches Mysterium. Elon Musk (49) benannte sein Unternehmen nach ihm, das sich zum ausgeschriebenen Ziel gemacht hat, „den Übergang zu nachhaltiger Energie“ zu beschleunigen. Und Filmemacher Christopher Nolan (50) nutzte Teslas teils sagenumwobene Experimente, um mit seinem Film „Prestige“ daraus eine Mischung aus Historienfilm und Science-Fiction zu machen – mit David Bowie als Tesla!

Kurzum: Es wurde höchste Zeit, dass dem Mann, der massgeblich am technischen Fortschritt beteiligt war, den wir heute als selbstverständlich ansehen, ein eigener Film gewidmet wird. Bezeichnend aber auch, dass er sich wie zu Lebzeiten auch auf der Kinoleinwand hinter Thomas Edison anstellen muss – das Biopic „Edison – Ein Leben voller Licht“ läuft seit dem 23. Juli in den deutschen Kinos.

Aus der Zeit gefallen

Inhaltlich können die beiden Filme verglichen werden, stilistisch geht „Tesla“ jedoch einen komplett anderen Weg. Eine der realen Figuren, Anne Morgan (1873-1952, dargestellt von Eve Hewson, 29), tritt als unzuverlässige Erzählerin auf, die „Was wäre, wenn?“-Szenarien zeigt und sich stellenweise auch direkt an den Zuschauer wendet. Dann sitzt sie plötzlich in altertümlicher Kleidung vor einem Macbook und vergleicht die Anzahl von Google-Treffern bei Suchanfragen zu Tesla und Edison.

Das ist im ersten Moment befremdlich, passt aber auf den zweiten Blick gerade bei Nikola Tesla ins Bild. Auch er wirkt rückwirkend betrachtet – wie der Film über ihn – seltsam aus der Zeit gefallen. Dennoch übertreibt es „Tesla“ auch mit seinen Anachronismen. Wenn Anne Morgan wieder und wieder nebst Beamer über Teslas Leben referiert, kommt eher das Gefühl auf, man sitze gerade in einer PowerPoint-Präsentation denn in einem Kinofilm. Bei Teslas Output an Erfindungen ist es schlichtweg unmöglich, alle Aspekte seines Lebens in einen 100 Minuten langen Film zu packen. Das Filmkredo „Show, Don’t Tell“ wird in diesen Szenen daher bewusst und zwangsläufig mit Füssen getreten. Ob dem Schaffen des Erfinders damit aber Genüge getan wird, sei dahingestellt.

Die beiden klugen Köpfe Tesla und Edison zudem über die Anzahl der Google-Treffer zu vergleichen beziehungsweise zu definieren, ist arg kleingeistig. Wenn das der neue Gradmesser ist, um jemanden als „verkannt“ oder „überschätzt“ zu definieren, was soll dann erst Mutter Teresa sagen? Die hat über eine halbe Milliarde (!) Google-Suchergebnisse weniger als Taylor Swift (30)…

Wenn Ethan Hawke in einer Szene „Everybody Wants To Rule The World“ von Tears For Fears trällert, soll das Teslas Frust über die Gier und den Egoismus der Gesellschaft symbolisieren, es wirkt aber eher verkünstelt und nicht kunstvoll. Ungleich besser klappt es mit dem Arthouse-Flair, wenn sich Titelfigur Tesla nicht in aufwändigen (und teuren) Kulissen wiederfindet, sondern vor Leinwand füllenden Bildern und Projektionen, die sein Leben und seine Visionen repräsentieren. Dann wird die Gedankenwelt von Grübler Nikola Tesla, stoisch aber präsent von Hawke verkörpert, gekonnt visualisiert und in Kontext zu seinem Wirken gestellt.

Fazit:

Edison oder Tesla? Mit den beiden Biopics stellt sich diese Frage nun auch im 21. Jahrhundert. „Edison – Ein Leben voller Licht“ mit Benedict Cumberbatch (44) steht für massentauglichen Mainstream, sticht im Überangebot an generischen Film-Biografien aber auch kaum heraus. „Tesla“ hingegen, so wie der Erfinder selbst, polarisiert und ist auf lange Sicht gesehen der interessantere und sympathischere der beiden.

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