Mario Adorf wird 90: So schön kann das Alter sein

Er gehört zu Deutschlands bekanntesten Schauspielern: Mario Adorf. Am 8. September feiert er seinen 90. Geburtstag.

Nein, man kann nicht sagen, dass man ihm das Alter nicht ansieht. Er ist nun mal ein älterer Herr mit freundlichen, wachen Augen und einem arglosen Lächeln. Das ist beileibe keine Selbstverständlichkeit, denn das Alter kann auch misstrauische und abweisende Züge zeigen, vor allem wenn es nicht akzeptiert wird.

Bei ihm hingegen ist auf den ersten Blick eine heitere, souveräne Gelassenheit zu erkennen. Er könnte etwas über 80 sein, vielleicht sogar 85 und darüber. Mario Adorf verkörpert geradezu ideal das schöne Gesicht des Alters, mithin auch sein zeitloses. Am Dienstag feiert er seinen 90. Geburtstag.

Mario Adorf wurde 1930 in Zürich geboren

In seiner Heimat heisst es schon seit Wochen: „Haste jehürt, oose Mario würd 90 Johr alt, am 8. September hat en Jeburtsdaach“. Das gibt einen ersten Hinweis auf seine Herkunft, zumal in seiner Sprache ein leichter rheinischer Akzent auszumachen ist. Ein Blick auf seine Biografie verrät: Eigentlich ist er ja Schweizer, denn geboren wurde er 1930 in Zürich, doch seine Herkunft geht auf Caspar Adorf zurück, den Grossvater. Dieser war Sattlermeister im Eifelstädtchen Mayen (heute ca. 19.000 Einw.) und wanderte gegen Ende des 19. Jahrhunderts in die Schweiz aus. Er heiratete eine Elsässerin und hatte mit ihr vier Kinder.

Seine Tochter Alice Adorf arbeitete als Röntgenassistentin im Süditalien und kehrte 1930 – schwanger mit Mario – aus Kalabrien nach Zürich zurück. Vater war der Arzt Matteo Menniti, der leider bereits verheiratet war. Das Kind kam also unehelich auf die Welt. Noch im gleichen Jahr wurde Alice Adorf mit ihrem Sohn Mario als „unerwünschte Ausländerin“ nach Deutschland abgeschoben. Sie ging zurück nach Mayen.

Die Kleinstadt hat ihn geprägt, denn Kindheit und Jugend waren hart. Die Mutter rackerte sich als Schneiderin ab, das Geld war so knapp, dass sie ihr Kind zeitweise ins Waisenhaus geben musste, damit es was zu essen hatte. Er hat trotzdem seinen Weg gemacht. Abitur, studium generale an der Uni Mainz (Philosophie, Psychologie, Kriminologie. Literatur, Musikgeschichte, Theaterwissenschaft), später in Zürich.

Über 200 Filme in 60 Jahren

Von Mayen aus ist er losgezogen, hat die Welt erobert. Über 200 Filme in über 60 Jahren, eine Berühmtheit in Italien, Frankreich, England, in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowieso. Ein Jahrhundert-Schauspieler. Das hört er nicht besonders gern. Und „Weltstar“ gleich gar nicht. „Ich empfinde mich durchaus nicht als Weltstar. Weltstars kommen einzig und allein aus Hollywood“, sagte er dem „Kölner Stadtanzeiger“. „Aber ich habe mich nicht in Hollywood etablieren können. Selbst bekannteste europäische Schauspieler wie Marcello Mastroianni oder Gérard Depardieu wurden keine Weltstars.“

1964 hatte Hollywood gerufen. Regisseur Sam Peckinpah (1925-1984) brauchte für seinen Western „Major Dundee“ mit Stars wie Charlton Heston (1923-2008) und Senta Berger (79), noch einen, der aussieht wie ein Mexikaner. Der Film war nicht besonders erfolgreich. Trotzdem schlug man ihm vor, „in Amerika zu bleiben und dort weiterhin Mexikaner zu spielen“, verriet er dem „Spiegel“. „In Deutschland und Italien hatte ich aber viel schönere Angebote. Ich wollte auch nicht in Hollywood auf Partys gehen, um wichtige Leute kennen zu lernen.“

Er hat Gebrauchskino gemacht, vornehmlich in der Rolle des Bösewichts und grosse Filme wie „Deadlock“ (1970)“, „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ (1975), „Bomber & Paganini“ (1976).

Er drehte mit Claudia Cardinale und Sean Connery („Das rote Zelt“, 1969), mit Alec Guinness („Smileys Leute – Agent in eigener Sache“, 1982) oder mit Michael Caine („Der 4 1/2 Billionen Vertrag“, 1985). Und mit der deutschen Produktion „Die Blechtrommel“ (1979) kehrte er sogar triumphal nach Hollywood zurück, wo die Grass-Verfilmung von Regisseur Volker Schlöndorff den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewann.

Karriere als Film- und Serienstar

Er wurde Serienstar in legendären TV-Mehrteilern wie „Der grosse Bellheim“, „Der Schattenmann“ und „Die Affäre Semmeling“ des Regisseurs Dieter Wedel (80). Diese Freundschaft zerbrach 2003 bei den Wormser Nibelungen-Festspielen, als Wedel Intendant wurde und Adorf ungewohnt in der „Bild am Sonntag“ erbost verkündete: „Ich werde nie wieder mit ihm arbeiten. Ich werde Wedel nie verzeihen.“

Unvergessen sind seine wunderbaren Rollen in Kultfilmen von Helmut Dietl wie „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“ und „Kir Royal“, wo er als publicity-geiler Unternehmer Heinrich Hafferloher dem Klatschreporter Baby Schimmerlos androhte: „Isch scheiss disch so wat von zu mit meinem Jeld!“

Eine seiner grössten Rollen bereut er bis heute

Doch ausgerechnet den Film, mit dem alles begann, bereut er. 1957 spielte er in „Nachts, wenn der Teufel kam“ eindringlich den vermeintlichen Frauenmörder Bruno Lüdke, der 1943 für 53 Morde und drei Mordversuche verantwortlich gemacht wurde. Adorf erhielt dafür den Bundesfilmpreis als bester Nachwuchsschauspieler. In den 90er-Jahren stellte sich heraus, dass Lüdke unschuldig war, NS-Polizisten hatten den geistig behinderten Mann aus ideologischen Gründen zum Mörder erklärt. Er starb 1944 in Haft, vermutlich bei „medizinischen Untersuchungen eines geborenen Verbrechers“.

„Ich habe mit meiner Rolle einem Mann das Bild eines Massenmörders verpasst, der keiner war“, sagte er der „Zeit“. „Ich habe als Schauspieler diesem Bruno Lüdke Unrecht getan… Ich habe einem Menschen, der wirklich gelebt hat, eine monströse Geschichte gegeben, die überhaupt nicht stimmt.“ Er habe Schuldgefühle gegenüber diesem Opfer und seinen Angehörigen.

Der Schauspieler spricht gerne Klartext

Solche Sätze hört man selten von einem Schauspieler. Mario Adorf hingegen spricht gern Klartext. Er findet, dass in Deutschland bei der Ausländer-Debatte viele Fehler gemacht werden. Im Magazin Cicero sagte er: „Es wird immer noch so getan, als ob die Zuwanderer sich völlig integrieren oder sogar assimilieren müssten, oder wieder raus mit ihnen!“ Die Menschen müssten nicht zwingend assimiliert werden, vielmehr müsse sich auch die deutsche Gesellschaft anpassen. Das sei in der Vergangenheit mit Italienern und Polen auch gelungen. Und er findet „die Entwicklung der populistischen Parteien dramatisch. Das beunruhigt mich. Ich ging 2004 wegen Berlusconi aus Italien weg.“

Mario Adorf, in Zürich geboren, Vater Italiener, die Mutter Deutsche, Frau Französin, ist ein überzeugter „Anhänger Europas und der Meinung, dass wir alles tun müssen, um es zu erhalten.“ Seine Heimat sieht er im kleinen Eiffelstädtchen Mayen, nicht in Rom, wo er über 40 Jahre gelebt hat, nicht in Paris oder Saint Tropez, wo er Wohnsitze hat, nicht in München, wo er lebt. Heimat ist eben da, wo man aufgewachsen ist, wo man die ersten Worte geplappert hat. In Mayen ist er „dankbarer“ Ehrenbürger, nach ihm wurde der „Mario-Adorf-Burgweg“ benannt.

Seinen 80. Geburtstag hat er noch in Mayen gefeiert, seinen 90. wird er „in Anbetracht der Corona-Krise im allerkleinsten Kreise“ begehen, erklärte er der Deutschen Presseagentur. Mit Monique (76), seit 1985 seine zweite Ehefrau. Seit 55 Jahren sind die beiden zusammen. Für diese Liebe findet der Schriftsteller Mario Adorf (neun Bücher) in der Illustrierten „Bunte“ rührende Worte: „Es war für mich das Erkennen eines Menschen, der mich interessierte, wo ich sagte, die bringt Heiterkeit in mein Bärenleben, die bringt mich zum Lachen.“ Und: „Ich liebe es, meine Frau mit mir altern zu sehen. Ich sehe diesen Prozess mit sehr viel Zärtlichkeit und Zuneigung.“

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