„Die Misswahl“: Keira Knightley wird Teil einer weiblichen Revolution

Keira Knightley spielte bereits mehrfach Figuren, die unter traditionellen Frauenbildern leiden. In „Die Misswahl“ kämpft die Schauspielerin aktiv dagegen an.

In „Fluch der Karibik“ mutiert sie von der umsorgten Gouverneurstochter zur mutigen Piratin, als Elizabeth Bennet will sie in „Stolz und Vorurteil“ nur der Liebe wegen heiraten und in „Colette“ kämpft sie um die Anerkennung als wahre Autorin von Bestseller-Romanen. Keira Knightley (35) sind Rollen mit feministischen Zügen nicht fremd. In ihrem neuen Film „Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“, der auf einer wahren Begebenheit basiert, haben sie und ihre Mitstreiterinnen es endgültig satt. Gemeinsam wollen sie die Welt endlich wachrütteln.

Ein Schönheitswettbewerb als Angriffsziel rebellischer Frauen: Darum geht es

Sally Alexander (Knightley) hat genug davon, als Frau ständig benachteiligt zu werden. Insbesondere die jährliche „Miss World“-Wahl steht für die geschiedene Mutter und Akademikerin, die im Zweitstudium Geschichte studiert, sinnbildlich für ein veraltetes Frauenbild. Nach einer Zufallsbegegnung mit der rebellischen 68erin Jo Robinson (Jessie Buckley) will sie die Öffentlichkeit im London des Jahres 1970 auf die Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machen und wird Teil des „Women’s Liberation Movement“.

Während die schwarzen Aussenseiterkandidatinnen Miss Grenada (Gugu Mbatha-Raw) und Miss Afrika Süd (Loreece Harrison) und ihre Konkurrentinnen das Posieren in Badeanzügen üben, schmiedet die revolutionäre Frauenbewegung um Sally und Jo einen Sabotage-Plan. Am Ende sorgen nicht nur sie, sondern auch die Gewinnerin des Schönheitswettbewerbs für wahre Überraschungen.

Figuren können sich nicht entfalten

Regisseurin Philippa Lowthorpe (58, „The Other Boleyn Girl“) stand gleich vor zwei grossen Herausforderungen, als sie für „Die Misswahl“ unterschrieb. Zum einen musste sie eine wahre und extrem facettenreiche Geschichte in knapp 106 Minuten Filmlänge unterbringen. Das gelang der Britin zwar, ihren Figuren fehlt es jedoch an der notwendigen Tiefe. So erfahren die Zuschauer über die Vergangenheit von Keira Knightleys zentraler Figur Sally Alexander nicht sonderlich viel, die als Frau von ihren männlichen Professoren und Kommilitonen nicht ernst genommen wird.

Noch schlechter kommt Miss Grenada Jennifer Hosten weg, deren Charakterisierung sich fast ausschliesslich auf ihre Hautfarbe und geografische Herkunft beschränkt. Dabei sorgt Schauspielerin Gugu Mbatha-Raw (37, „Das Zeiträtsel“) mit ihrer kraftvollen Darstellung für den wohl besten Moment des Films. Darin trifft sie hinter den Kulissen der „Miss World“-Fernsehübertragung in der Royal Albert Hall unerwartet im Badezimmer auf die von Knightley ebenso überragend gespielte Sally Alexander.

Kampf gegen Sexismus vs. Kampf gegen Rassismus

Die beiden Figuren wirken dabei in jeder Hinsicht gegensätzlich und kämpfen gegen unterschiedliche Dimensionen der Ungleichbehandlung. Während die weisse Sally Alexander unangepasst und rebellisch die Gleichberechtigung ihres Geschlechts fordert, strebt Jennifer Hosten mithilfe von Konformität und Anpassung nach grundlegender Inklusion und Akzeptanz. Die eine lehnt sich gegen das bestehende System auf, die andere kämpft um das Recht, überhaupt darin akzeptiert zu werden. Beide Frauen verbindet dabei ein gemeinsames Ziel: das Aufbrechen veralteter Strukturen.

Die feinfühlige Darstellung der unterschiedlichen Ambitionen und verwendeten Methoden stellte Filmemacherin Lowthorpe vor die zweite grosse Herausforderung. Der Kampf gegen Rassismus von Miss Grenada hätte jenen der im direkten Vergleich privilegierten Sally Alexander leicht unbedeutend und um einiges einfacher erscheinen lassen können. „Die Misswahl“ schafft es jedoch, beiden Kämpfen einen ähnlich hohen Stellenwert einzuräumen. Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass für die Erzählung der einzelnen Lebensgeschichten die Zeit fehlt.

„Andere Mädchen sind so doch auch glücklich“

Vielleicht wäre es ratsam gewesen, anderen Figuren weniger Platz einzuräumen. Beispielsweise dem US-amerikanischen Entertainer Bob Hope, den der fast unerkennbare Greg Kinnear (57, „Little Miss Sunshine“) mimt. Er stellt den sexistischen Moderator des Schönheitswettbewerbs, der jedem Rock hinterherschaut, zwar passabel dar, die Handlung wäre allerdings gut ohne ihn ausgekommen. Vergleichsweise unwichtig erscheint auch Hopes Frau Dolores, die die Eskapaden und Fehltritte ihres Mannes zwar sarkastisch kommentiert, sie aber letztendlich hinnimmt.

Gemeinsam mit Sally Alexanders Mutter Evelyn (Phyllis Logan) symbolisiert sie eine ältere Frauengeneration, die sich ihrem Schicksal still fügt und die für die Rebellion ihrer Töchter nur wenig Verständnis aufbringt. „Andere Mädchen sind so doch auch glücklich“, bekommt Sally Alexander aus dem Mund ihrer Mutter zu hören, woraufhin sie frech kontert: „Nun, ich bin kein Mädchen, ich bin eine Frau.“ Der Generationenkonflikt ist ein weiteres interessantes Thema, das der Film zwar am Rande erwähnt, dem das Spielfilmformat jedoch zu wenig Raum bietet.

Sehenswert dank aktueller Themen und starker Besetzung

Trotz offensichtlicher Schwächen ist „Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ durchaus sehenswert. Das liegt nicht zuletzt an einer starken Besetzung – positiv zu erwähnen ist hier Jessie Buckley (30, „Judy“) als kesse Jo Robinson – und einer Thematik, die im Zuge der „#MeToo“- und „Black Lives Matter“-Bewegungen 2020 kaum aktueller sein könnte. Zudem würdigt der Film nachträglich den Mut der echten Sally Alexander und ihrer Mitstreiterinnen. Das Ende des Films zeigt ihre Gesichter, die inspirierende Geschichte wird 50 Jahre nach der „Miss World“-Wahl 1970 nun einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Keira Knightley kommt sich mit ihrer Hauptrolle in Philippa Lowthorpes Werk scheinbar selbst ein Stück näher. Sie und ihre Figur Sally Alexander hadern beide mit den Normen der Gesellschaft und brechen aus ihnen aus. Erst kürzlich erklärte Knightley der „Bild am Sonntag“, sie habe in der Vergangenheit versucht, „hineinzupassen und so gut es geht perfekt zu sein“. Heute sehe sich die 35-Jährige ebenfalls als Feministin. Vermutlich wirkt sie deshalb in ihrer Rolle so wunderbar authentisch.

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