Meret Becker: Ihr Tipp für geschichtsinteressierte Berlin-Touristen

West-Berlinerin und „Tatort“-Star Meret Becker erzählt im Interview, was sie von der Wendezeit nie vergessen wird. Ausserdem hat sie einen Tipp für geschichtsinteressierte Berlin-Touristen.

Der neue Berlin-„Tatort: Ein paar Worte nach Mitternacht“ (4.10., 20:15 Uhr, das Erste) wird anlässlich des 30. Jahrestags der Deutschen Einheit ausgestrahlt. Schauspielerin Meret Becker (51, „Babylon Berlin“), die noch bis 2022 als Kommissarin Nina Rubin ermittelt, ist West-Berlinerin. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erzählt sie unter anderem, welche Rolle die Geschehnisse vor 30 Jahren in ihrem eigenen Leben gespielt haben.

Der mehrfach ausgezeichnete Spross einer erfolgreichen Künstlerfamilie erklärt aber auch, wie es ist, wenn man mit einem Familienmitglied vor der Kamera steht. In diesem Fall spielt ihr Vater, Schauspieler Rolf Becker (85), den 90-jährigen Jubilar, mit dessen Geburtstagsfeier der neue „Tatort“-Fall ins Rollen kommt.

Der Krimi wird zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit ausgestrahlt. Wie sehr ist das einst geteilte Deutschland Ihrer Ansicht nach inzwischen zusammengewachsen? In welchen Bereichen besonders und wo ist noch Luft nach oben?

Meret Becker: Ich habe das Gefühl, man möchte die Unterschiede ausradieren, dann wäre man sozusagen am Ziel angekommen. Ich glaube aber, dass man niemanden seiner Geschichte berauben darf und dass diese Unterschiede Geschenke sind. Die Rechte müssen dieselben sein. Und da geht immer noch was, egal ob von West nach Ost, von männlich zu weiblich, von Weiss zu Schwarz, von oben nach unten und so weiter.

Welche Rolle haben die Geschehnisse vor 30 Jahren in Ihrem eigenen Leben gespielt? Wie sehr haben Sie sich damals dafür interessiert?

Becker: Ich bin West-Berlinerin. Der Mauerfall hat alles verändert. Auch meinen Teil der Stadt gibt es nicht mehr in der Form meiner Kindheit und Jugend. Als die Mauer fiel, war das erstmal alles wie ein grosser Abenteuerspielplatz. Jetzt ist Berlin schon ziemlich ausverkauft. Der Kapitalismus ist brutaler geworden im Laufe der Jahre.

Was werden Sie von damals nie vergessen?

Becker: Nie vergessen werde ich, wie ein Nachbar des Hauses der „Scheinbar“ – ein kleines Varieté in Schöneberg – sich nach der Show auf die Bühne stellte und verkündete, eben sei die Mauer gefallen und das erste Paar sei soeben mit dem Trabbi über eine Brücke gekommen und wäre mit Champagner begrüsst worden. Wir sagten ihm, er solle jetzt bitte von der Bühne kommen, die Show sei vorbei, Feierabend! Und er flehte uns an, ihm zu glauben und das Radio anzumachen, was wir dann auch taten. Der Rest ist Geschichte.

Haben Sie ein Souvenir aus der Zeit?

Becker: Ich habe tatsächlich einen kleinen Zipfel der Fahne geschenkt bekommen, die damals auf dem Brandenburger Tor wehte.

Im Krimi spielt eine Gedenktafel eine Rolle, die im Berliner Alltag leicht übersehen werden kann. Gibt es die wirklich? Wenn ja, kannten Sie sie?

Becker: Die Gedenktafel gibt es tatsächlich und ich kannte sie nicht. Auf der Verkehrsinsel steht sie etwas verloren. Aber immerhin, sie sollte ursprünglich mal irgendwo im Wald aufgestellt werden, weit weg vom Ort des Geschehens.

Kennen Sie weitere, weniger bekannte, aber wichtige Orte des Gedenkens?

Becker: Ich liebe Stolpersteine, die goldenen Pflastersteine, auf denen die Namen der deportierten Menschen des jeweiligen Hauses stehen. Ich finde das sehr persönlich und sehr berührend. Und im Bayrischen Viertel in Berlin gibt es Schilder an den Laternen, auf denen sind recht naive Bilder gemalt, zum Beispiel ein Laib Brot. Und dann steht auf der anderen Seite: „Lebensmittel dürfen Juden in Berlin nur nachmittags von 4-5 Uhr einkaufen, 4.7.1940“. Das ist sehr schlicht und eindrucksvoll.

Meret Becker und Rolf Becker in einem Film. Wie häufig kam das schon vor? Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit?

Becker: In meiner Familie kann einem das passieren. Mit Rolf habe ich schon einmal in „Heinrich der Säger“ gespielt, mit meinem Vater Otto [Sander, 1941-2013] und mit meiner Mutter [Monika Hansen, geb. 1943] habe ich im Film und im Theater zusammengespielt und mit meinem Bruder Ben [Becker, 55] war ich in „Comedian Harmonists“ sogar ein Liebespaar. Wir haben sehr gelacht!

Wie waren die wenigen gemeinsamen Szenen? Mit dem eigenen Vater zu spielen, ist es für Sie leichter oder schwerer als mit anderen Kollegen?

Becker: In diesem „Tatort“ haben Rolf und ich nicht wirklich miteinander gespielt. Wenn man den Film sieht, weiss man, was ich meine. Aber ich habe mich sehr gefreut, dass Lena Knauss [Regisseurin] ihn besetzt hat und es war schön, ihn zu sehen.

Im „Tatort“ geht es unter anderem um entfremdete Familienmitglieder, die nicht viel vom anderen wissen. Was ist Ihrer Ansicht nach wichtig, um im echten Austausch mit Kindern, Eltern, Geschwistern zu bleiben?

Becker: In Frankreich essen die Menschen zweimal am Tag sehr ausgiebig miteinander. Dabei wird alles Wichtige in Ruhe besprochen. Das kann ich sehr empfehlen. Gut für die Familie und gut für die Gesundheit.

Sie verlassen den „Tatort“ ja leider in ein paar Folgen. Corinna Harfouch wird Ihre Nachfolgerin. Was halten Sie davon? Was wünschen Sie Ihr?

Becker: Corinna ist eine sensationelle Schauspielerin. Ich wünsche ihr vor allem, dass sie mit Mark [Waschke] gut klarkommt. Als Team zu arbeiten, ist das Wichtigste. Sonst macht es keinen Spass.

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