„Verdacht/Mord“: Fesselnde Krimiserie in bester Scandi-Noir-Tradition

Eine tragische Geschichte, ein Antiheld mit Kanten, ein spannender Fall: Warum die dänische Serie „Verdacht/Mord“ auch für Krimi-Einsteiger absolut sehenswert ist.

Deutschland ist Krimiland. Allein der ungebrochene Erfolg der illustren Riege an „Tatort“-Ermittlern aus über 20 Städten spricht hierfür eine glasklare Sprache. Die eindringlichsten, düstersten TV-Mordfälle und Serien-Leichenfunde schwappen mitunter aber von Skandinavien zu uns herüber. Wenn dort zu klirrendkalter Winterzeit mancherorts die Sonne gar nicht erst aufgeht, schreiben sich morbide Krimigeschichten wohl von ganz allein.

Auch unser Nachbarland Dänemark bereichert uns immer wieder mit sogenannten Scandi-Noir-Filmen und -Serien, etwa „Das Team“ mit Lars Mikkelsen (56, „House of Cards“) oder die dänisch-schwedisch-deutsche Coproduktion „Die Brücke – Transit in den Tod“. Besagter Lars Mikkelsen, der ältere Bruder von „Hannibal“-Darsteller und „Bond“-Bösewicht Mads Mikkelsen (55), ist auch in der neuen Krimiserie „Verdacht/Mord“ neben Hauptdarsteller Ulrich Thomsen (57) zu sehen. Die acht Episoden der ersten Staffel gibt es auf dem Pay-TV-Sender 13th Street in zwei Portionen à vier Episoden am 17. und 24. Januar (jeweils ab 21 Uhr) als deutsche TV-Premiere zu erleben.

Ein Vater sieht rot – darum geht es

Es scheint ein Fall wie jeder andere zu sein. Eine junge Frau liegt auf einer Bahre in der Gerichtsmedizin, die Indizien deuten auf einen Selbstmord hin. Polizist Bjørn (Ulrich Thomsen) wird gerufen, um die Identität der Unbekannten zu ermitteln – nichts ahnend, dass ihm dies schon nach wenigen Minuten gelingen wird, auf denkbar traumatische Art und Weise.

Denn als er ein Schmuckstück zu erkennen glaubt und auf einen schrecklichen Verdacht hin das Leichentuch vom Gesicht der Verstorbenen zieht, findet er darunter das Antlitz seiner eigenen Tochter Christina. Nach dem ersten Schock stellt sich eine unverrückbare Gewissheit beim Ermittler ein: Niemals hätte sich seine Tochter das Leben genommen, es muss sich um Mord handeln. Und den will der trauernde Vater entgegen der Ratschläge seiner Freunde und Kollegen umgehend selbst aufklären – egal mit welchen Mitteln.

Kein Held in strahlender Rüstung

Wie es sich für eine skandinavische Krimiserie gehört, wartet „Verdacht/Mord“ optisch wie inhaltlich mit einer melancholisch-düsteren Grundstimmung auf und vermeidet befremdlich wirkende Humor-Einschübe. Zu lachen hat hier ohnehin niemand etwas. „Ich bin ihr Vater und ich habe nichts zu verlieren“ – mit diesen Worten fasst Hauptfigur Bjørn seinen Gemütszustand zusammen, mit dem er sich an die Aufklärung des Falls macht. Soll heissen: Um den vermeintlichen Mörder seiner Tochter dingfest zu machen, sind ihm sämtliche und noch so rechtswidrige Mittel recht.

Sinnbildlich für Scandi-Noir hat Ulrich Thomsens Figur Ecken und Kanten und ist weit entfernt vom rechtschaffenen Helden in weisser Rüstung. Auch unsympathisch darf der Zuschauer die Figur in ihrer blanken, zuweilen unfairen Wut auf alles und jeden finden, die durch ihre Trauer ausgelöst wird. Das mag nicht immer bequem sein, doch ist es vor allem eins: authentisch, nachvollziehbar und durch schonungslose Close-ups auch noch hautnah eingefangen. Es ändert nichts daran, dass man in jeder Minute der kurzweiligen Serie mit Bjørn mitfiebert und -leidet. Ähnlich, wie es bei der „Taken“-Reihe mit Liam Neeson (68) der Fall ist.

Für die kleine Krimilust zwischendurch

Manch einem deutschen wie internationalen Krimi wurden schon gewisse Längen, ja gar Behäbigkeit vorgeworfen. „Verdacht/Mord“ legt hingegen ein erfrischendes, mörderisches Tempo an den Tag. Keine fünf Minuten vergehen in der ersten Folge, ehe der Hauptcharakter seine tote Tochter (übrigens gespielt von Ulrich Thomsens echter Tochter) enthüllt und so seinen Auftrag für die kommenden sieben Episoden erhält.

Was der Serie ausserdem zuträglich ist, ist die Episodenlänge. Jede Folge dauert nur rund 25 Minuten und sollte damit auch für Krimi-Neulinge, die noch nicht allzu viel Mord und Totschlag ohne Verschnaufpause ertragen, interessant sein. Die Handlung von „Verdacht/Mord“ spielt sich ausserdem, Jack-Bauer-Anhänger alias „24“-Fans wird’s freuen, innerhalb von 24 Stunden ab. Langeweile kommt auch bei vier Folgen am Stück damit nie auf.

Cast mit internationalem Flair

Für die Regie und das Drehbuch ist Christoffer Boe (46) verantwortlich, der bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2003 die Goldene Kamera für seinen Debütfilm „Reconstruction“ gewinnen konnte. Doch was hilft die spannendste Story, wenn die Darsteller sie nicht vermittelt bekommen?

Das dachten sich sicherlich auch die Macher von „Verdacht/Mord“ und engagierten ein Ensemble an dänischen Schauspieler/innen, die für internationales Flair stehen. Hauptmime Ulrich Thomsen zeigte sein Können schon in heimischen Filmen wie „Adams Äpfel“, Hollywood-Produktionen der Marke „Königreich der Himmel“ und Serien wie „The Blacklist“ oder „The New Pope“. Allein in den ersten 20 Minuten von „Verdacht/Mord“ durchläuft seine Mimik scheinbar alle Phasen der Trauer – das ist stark gespielt.

Ihm zur Seite gestellt sind der eingangs erwähnte Lars Mikkelsen, der Serienjunkies als unnachgiebiger russischer Präsident Viktor Petrov aus „House of Cards“ bestens in Erinnerung geblieben sein dürfte, Trine Dyrholm (48), die unter anderem neben Pierce Brosnan (67) in der romantischen Komödie „Love Is All You Need“ zu sehen war und Nikolaj Lie Kaas (47), der als Kommissar Carl Mørck in den Bestsellerverfilmungen des dänischen Autors Jussi Adler-Olsen (70) begeistert. Weitere Rollen verkörpern auch David Dencik („Verblendung“, 46) sowie Clara Rosager („Verachtung“, 24).

Die beste Nachricht für alle Crime-Liebhaber zum Schluss: Wem „Verdacht/Mord“ zusagt, der darf sich auf weitere Folgen freuen. Eine zweite Staffel befindet sich bereits in der Mache und soll ebenfalls noch 2021 via 13th Street ihren Weg nach Deutschland finden.

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