Krieg und Krisen: Wie können wir unsere mentale Gesundheit schützen?

Nachrichten rund um Krisen und Kriege haben negative Auswirkungen auf unsere Psyche.

Quelle: Ekateryna Zubal/Shutterstock.com

Angst vor der Zukunft, Grübeln, Erschöpfung: Dauerkrisen wie der Klimawandel oder internationale Konflikte können unsere Psyche schwer belasten. Wie können wir uns schützen? Psychologin Dr. Alena Rentsch klärt im Interview auf.

Vom Klimawandel über die Pandemie bis zur Wirtschaftskrise oder Kriegen und Konflikten: Die Nachrichtenlage gibt vielen Menschen das Gefühl, in einer Dauerkrise gefangen zu sein – und das kann unsere Psyche schwer belasten. In einer Studie aus dem letzten Jahr gab fast die Hälfte der Deutschen (43 Prozent) an, viel bzw. etwas besorgter zu sein als noch vor zwölf Monaten. Ganz vorne bei den Sorgen stehen demnach die Inflation und steigende Preise, die politische Lage im In- und Ausland und die Sorge um die eigenen Kinder sowie die Furcht vor einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft. Und das kann starke Auswirkungen auf unsere mentale Gesundheit haben: In der Studie gaben mehr als ein Viertel der Befragten an, mehr zu grübeln oder sich erschöpft und energielos zu fühlen – besonders in der Generation Z.

Wie können wir in Zeiten, in denen es überall von Krisen zu wimmeln scheint, mehr Acht auf unsere mentale Gesundheit geben? Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt Dr. Alena Rentsch, Psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Plattform HelloBetter, wie genau sich Krisen auf unsere Psyche auswirken, wie eine Balance gelingen kann und wie vor allem junge Menschen geschützt werden können.

Was machen globale Krisen wie der Klimawandel, Kriege oder wirtschaftliche Unsicherheiten mit unserer mentalen Gesundheit?

Dr. Alena Rentsch: Krisen sind Ereignisse oder Veränderungen im Leben, die für diesen Moment nicht oder nur schwer zu bewältigen sind und mit einem Verlust des psychischen Gleichgewichts einhergehen. Psychologisch gesehen setzen uns Krisen akut unter Stress, da wir das Gefühl haben, die Kontrolle über die innere oder äussere Situation verloren zu haben. Die Reaktionen auf diesen Stress können bei jedem Menschen ganz unterschiedlich sein. Bemerkbar macht sich das zum Beispiel in Erschöpfung, Nervosität oder Konzentrationsproblemen. Die Gedanken kreisen oft auch tagsüber um das Erlebte, Gedanken wie „Mir ist gerade einfach alles zu viel“ machen sich breit oder es zeigen sich körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden oder Kopfschmerzen. Wenn diese Beschwerden von kurzer Dauer sind, dann ist das normalerweise kein Anlass zur Besorgnis. Doch wer sich über einen längeren Zeitraum von einer Krise oder seinem täglichen Leben überwältigt fühlt, hat ein erhöhtes Risiko ernsthaft zu erkranken.

Ist das eine neue Entwicklung, weil Krisen durch Social Media und Online-Nachrichten viel präsenter sind?

Dr. Rentsch: Die psychische Belastung durch Krisen in der Welt ist kein neues Phänomen, aber sie hat sich durch die Digitalisierung verändert. Durch Social Media und Online-Nachrichten sind wir ständig mit Problemen und Leiden anderer konfrontiert, die uns berühren und belasten können.

Grundsätzlich gibt es allerdings verschiedene Faktoren, die unsere psychische Gesundheit beeinflussen, wie zum Beispiel unsere individuelle Resilienz, unser soziales Umfeld, unsere Lebensumstände und unsere persönlichen Erfahrungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die ständige Konfrontation mit negativen Nachrichten und Bildern aus aller Welt in uns mehr Stress, Angst oder Trauer verursachen kann. Aber es kann auch sein, dass wir durch diese Medien mehr Solidarität, Empathie oder Hoffnung empfinden. Es kommt also darauf an, wie wir die Informationen verarbeiten und wie wir uns davor schützen oder damit umgehen.

Negative Nachrichten einfach zu ignorieren, ist auch keine Lösung. Wie kann es gelingen, eine gute Balance zu schaffen, um die eigene mentale Gesundheit zu schützen?

Dr. Rentsch: Für einen gesunden Umgang mit Nachrichten gilt es, gleich mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Zunächst ist es wichtig, auf die Qualität der Informationen zu achten. Das bedeutet, vertrauenswürdige Quellen zu wählen und sich nicht ausschliesslich über Social Media zu informieren.

Ausserdem können Nachrichten-Podcasts oder das Lesen einer Tageszeitung dabei helfen, eine emotionale Distanz zu belastenden Themen zu bewahren. Der Vorteil von Podcasts liegt darin, dass sie keine Bilder präsentieren, und Tageszeitungen bieten im Vergleich zu Online-Medien oder TV oft weniger bildlastige Inhalte. Ebenfalls hilfreich ist es, konstruktive Nachrichten zu verfolgen und positive Entwicklungen wahrzunehmen. Es gibt Formate, die sich darauf spezialisieren, positive Ereignisse und Fortschritte in Welt und Gesellschaft hervorzuheben.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Timing: Es kann sinnvoll sein, den Konsum auf einmal täglich zu beschränken und vor allem nicht kurz vor dem Schlafengehen. Dies kann dazu beitragen, die mentale Belastung zu reduzieren.

Darüber hinaus ist es entscheidend, aus dem digitalen Raum herauszutreten und sich aktiv am realen Leben zu beteiligen. Treffen mit Freunden, der Austausch über verschiedene Themen, das Nachgehen von Hobbys wie Sport, Kunst oder Musik – all das hilft dabei, aktiv am Leben teilzunehmen und sich nicht ausschliesslich auf Nachrichten zu fokussieren.

Abschliessend ist es wichtig, einen Kanal für die durch Nachrichten geweckte Energie zu finden. Ob man sich an Demonstrationen beteiligt, sich politisch engagiert, mit Freunden diskutiert oder sich anderweitig einbringt, es ist essenziell, diese Energie in sinnvolle Bahnen zu lenken, statt sich in einem endlosen Kreislauf der Selbstbeschäftigung zu verlieren.

Stichwort „German Angst“: Man sagt oft, dass die Deutschen ein besonders ängstliches Volk sind und weniger gelassen auf Krisen reagieren als andere. Woran liegt das? Und weshalb fällt es einigen Menschen leichter, mit Krisen umzugehen?

Dr. Rentsch: Der Begriff „German Angst“ suggeriert, dass die Deutschen sehr besorgt seien und besonders ängstlich reagieren, insbesondere in Krisensituationen. Angst an sich ist jedoch keine negative Emotion, sondern eine natürliche und grundlegende menschliche Reaktion, die uns vor Gefahren schützen kann. Sie motiviert uns, Vorsichtsmassnahmen zu ergreifen und nach Lösungen zu suchen. Beispielsweise kann die Angst vor der Klimakrise positiv sein, da sie zu Handlungen und Veränderungen anregt, um diese globale Bedrohung anzugehen.

Warum könnten die Deutschen nun besonders anfällig für Angst und Sorgen sein? Eine mögliche Erklärung ist, dass historische Ereignisse wie die beiden Weltkriege, die Teilung des Landes und die Wiedervereinigung tiefe Spuren in der kollektiven Psyche hinterlassen haben. Solche tiefgreifenden Krisen können zu einem Verlust von Sicherheit, Orientierung und Identität führen. Diese historischen Prägungen könnten auch heute noch eine Rolle dabei spielen, wie die Deutschen auf Krisen reagieren.

Aus psychotherapeutischer Perspektive sind jedoch die individuellen Unterschiede im Umgang mit Krisen viel entscheidender. Manche Menschen finden leichter Wege, mit Stress und Angst umzugehen. Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa der persönlichen Resilienz, früheren Erfahrungen, dem sozialen Umfeld und der Verfügbarkeit von Ressourcen und Unterstützung. Es ist wichtig zu erkennen, dass Angstbewältigung ein individueller Prozess ist und dass es unterschiedliche Wege gibt, um effektiv mit Herausforderungen umzugehen.

Junge Menschen sind durch die sozialen Medien besonders stark mit Negativnachrichten konfrontiert. Wie können Eltern hier vorgehen, um ihre Kinder zu schützen?

Dr. Rentsch: Eltern sollten den Nachrichtenkonsum ihrer Kinder unbedingt aktiv begleiten. Gerade jüngere Kinder sollten nicht unbeaufsichtigt Nachrichten konsumieren, da sie Schwierigkeiten haben könnten, die Inhalte eigenständig einzuordnen. Es gibt wertvolle Nachrichtensendungen für Kinder, die speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind. Doch auch hier ist es wichtig, dass Eltern dabei sind, um die Inhalte gemeinsam zu besprechen, Fragen der Kinder zu klären und den notwendigen Kontext zu liefern.

Es ist ratsam, die Mediennutzung von Kindern, insbesondere in sozialen Medien, zu begrenzen oder zumindest zu begleiten. Bei Jugendlichen mag das zwar nicht mehr möglich sein, aber Eltern können sie ermutigen, seriösen Seiten und Formaten zu folgen, die verlässliche Informationen bieten.

Wichtig ist ausserdem die emotionale Präsenz der Eltern, besonders wenn man bemerkt, dass Nachrichten über Themen wie Krieg oder Pandemien Stress oder Angst auslösen. Das Thema Angst sollte offen besprochen und Unterstützung angeboten werden.

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