Spielsüchtig und obdachlos: So hat Kerstin Ott es nach oben geschafft

Die fast immer lacht“ heisst die Autobiografie von Kerstin Ott. Darin schildert sie auch die dunklen Tage ihres Lebens. Im Interview spricht sie über Depressionen, Spielsucht und Obdachlosigkeit.

Der Hit „Die immer lacht“ machte Kerstin Ott (36) über Nacht zum Star. Die 36-Jährige ging vor nicht allzu langer Zeit noch ihrem Beruf als Malerin nach. In ihrer Autobiografie „Die fast immer lacht“ erzählt die Musikerin, wie es war, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. Sie spricht zudem offen und ehrlich über schwierige Zeiten. Im Interview verrät sie, wie sie aus Spielsucht und Obdachlosigkeit herausgefunden hat.

Nachdem Sie ziemlich unvorbereitet durch „Die immer lacht“ zum Star wurden, hat Ihnen die Öffentlichkeit auch zu schaffen gemacht. Warum haben Sie sich entschieden, nun in Ihrem Buch „Die fast immer lacht“ Ihre ganze Geschichte zu erzählen?

Kerstin Ott: Als das damals losging, war ich mit meinem Privatleben tatsächlich sehr zurückhaltend. Auch weil ich nicht wusste, ob es bei diesem einen Hit bleibt. Mein erstes und jetzt auch mein zweites Album sind aber sehr erfolgreich und das Interesse der Öffentlichkeit ist gross. Deshalb möchte ich die Geschichte jetzt einmal und richtig erzählen.

Als „Die immer lacht“ in den Charts immer weiter nach oben kletterte, war Ihnen zum Heulen zumute. Was hat Ihnen am meisten zugesetzt?

Ott: Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Aufgrund fehlender Erfahrung hatte ich keine Ahnung, was der nächste Schritt sein wird oder wie ich mich auf einer Bühne verhalte. Ich bin ein Mensch, der Sicherheiten braucht. Die hatte ich damals nicht.

Mit 16 Jahren haben Sie an einem Talentwettbewerb teilgenommen, der alles andere als gut lief. Danach hatten Sie die Bühne für sich eigentlich abgehakt – bis Ihr Song durch die Decke ging. Geholfen hat Ihnen dann unter anderem Detlef D! Soost.

Ott: Wir arbeiten auch heute noch zusammen. Es geht dabei nicht darum, eine perfekte Tänzerin aus mir zu machen. Er hilft mir dabei, dass ich mich auf der Bühne sicherer fühle. Immer wenn ich der Meinung bin, dass ich meinen Horizont erweitern könnte, setze ich mich mit ihm zusammen.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie im Musikgeschäft erfolgreich sind?

Ott: Mein Leben hat sich unfassbar verändert. Ich bin sehr viel unterwegs und dadurch weniger bei Familie und Freunden zuhause. Aber ich sehe das alles sehr positiv: Wir sind immer bemüht, dass so zu gestalten, dass meine Frau und ich zufrieden sind.

Sie beschreiben sich als „Anti-Popstar“. Wie wurden Sie in der Welt des Schlagers von den Kollegen aufgenommen?

Ott: Ich bin sehr gut aufgenommen worden, auch wenn ich am Anfang noch kritisch beäugt wurde. 90 Prozent aller Menschen haben gedacht, dass ich eine Eintagsfliege sei. Mittlerweile ist klar, dass dem nicht so ist. Ich habe viele nette Kollegen im Musikgeschäft, wie in jedem Job gibt es aber auch welche, mit denen ich nicht so gut auskomme.

Sie erzählen im Buch auch von Ihrer Kindheit und davon, dass Sie als kleines Kind in einem Heim waren, weil Ihre Mutter gesundheitliche Probleme hatte. Wie ist es, wenn Sie sich daran zurückerinnern?

Ott: Überhaupt nicht tragisch. Ich habe mich inzwischen sehr gut damit auseinandergesetzt und mir Hilfe von Psychologen geholt. Das ist alles längst aufgearbeitet. Das jetzt aufzuschreiben, hat Spass gemacht: Ich bin mit mir im Reinen!

Nachdem Sie zwischenzeitlich wieder bei Ihrer Mutter waren, kamen Sie im Grundschulalter in eine Pflegefamilie, in der es nicht sehr liebevoll zuging. Haben Sie das alles mit Ihrer Mutter auch zusammen aufgearbeitet?

Ott: Als Kind habe ich nicht verstanden, dass meine Mutter ein eigenständiges Leben hat und dass es gesundheitliche Probleme gibt, die diese Situation zur Folge haben. Ich habe später viel über mich selbst nachgedacht, überlegt, was ich anders machen möchte. Der Kontakt zu meiner Mutter bestand dabei immer. Dieses Gefühl, dass zu einhundert Prozent wieder alles gut ist, kam dann mit Ende 20, Anfang 30. Wir sehen uns auch heute regelmässig, einmal im Monat etwa.

Sie haben als Kind einige Weihnachtsfeste bei Ihrer Pflegefamilie verbracht und daran keine schönen Erinnerungen. Inzwischen leben Sie in einer Patchwork-Familie, Ihre Frau hat zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht. Was bedeutet Weihnachten heute für Sie?

Ott: Die Kinder sollen natürlich ein schönes Fest haben. Ich bin gerne mit der ganzen Familie zusammen und verbinde damit heute andere Dinge. Ich liebe es, wenn sich die Kinder über ihre Geschenke freuen, ich mag es, wenn alle zusammensitzen. Es ist ein ganz anderes Gefühl. Es hat aber lange gedauert, bis ich Weihnachten akzeptieren konnte.

Vor Ihrem Durchbruch haben Sie als selbstständige Malerin gearbeitet und waren bereits einmal verheiratet. Depressionen und Spielsucht machten Ihnen dann aber zu schaffen. Was hat Ihnen das Spielen damals gegeben?

Ott: Ich wollte aus meinem Alltag flüchten. Ich habe mich damals noch dagegen gesperrt, mich mit mir selbst zu befassen. Ich war zudem ein kleiner Adrenalinjunkie und beim Spielen konnte ich das alles miteinander verbinden. Das hat mich angezogen.

Irgendwann kamen dann Schulden und sogar Obdachlosigkeit hinzu. Wie schwer war es, da wieder rauszufinden?

Ott: Es war zu diesem Zeitpunkt sehr schwierig, weil ich wenige Aufträge hatte und nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Am Ende war es mein Optimismus und der Wille, nicht allzu lange in dieser Situation zu verharren. Beruflich, finanziell und emotional ging es noch eine Etage tiefer. Aber ich habe den Glauben an mich selbst nie verloren, bin am Ball geblieben, habe gearbeitet und so bin ich da wieder rausgekommen.

Sie sagen über sich selbst, dass Sie suchtanfällig sind. Wie gehen Sie damit um?

Ott: Dadurch dass ich weiss, dass ich dazu neige, bin ich vorsichtiger als andere Menschen. Ich erkenne viel früher die Zeichen. Ich habe das Thema Sucht für mich abgehakt und glaube nicht, dass ich da noch gefährdet bin.

Sind Sie im Moment rundum glücklich?

Ott: Ja, definitiv! Nicht nur im Job – mein neues Album „Mut zur Katastrophe“ verkauft sich bestens – auch privat läuft es hervorragend. Wir haben uns jetzt ein Haus gekauft, das wir renovieren. Gerade haben wir zudem unseren ersten Hochzeitstag gefeiert – das haben wir sehr genossen.

Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?

Ott: Bei der Weihnachtstour bin ich mit dem Sänger der Puhdys, „Maschine“, und einem der Prinzen unterwegs. Im Dezember und Januar stehen da viele Auftritte an.

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