Gerhard Polt: Der grosse Kabarettist mit Traumberuf Bootsverleiher

Der selbst ernannte Chronist Bayerns feiert 75. Geburtstag. Eigentlich wollte Gerhard Polt als Kind aber einen ganz anderen Beruf ergreifen. Gut, dass aus seinem Berufswunsch nichts geworden ist…

Es gibt eine Geschichte, die Gerhard Polt (75, „Hundskrüppel: Lehrjahre eines Übeltäters“) in Interviews oft und gerne zum Besten gibt. Dass er nämlich als Kind einmal Bootsverleiher werden wollte. Die Inspiration dazu war ein wahrhaftiger Bootsverleiher. „Für mich hat dieser Mann alles geschafft, was man im Leben schaffen kann. Er strahlte eine solche Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Ob es geregnet hat oder nicht, ob viele Leute kamen oder gar keiner, er war da. Wenn nix los war, hat er oft stundenlang auf den See hinausgeschaut. Dieses Stoische – grossartig“, sagte Polt einmal im Interview mit „Zeit Online“.

Doch Bootsverleiher ist Gerhard Polt am Ende nicht geworden. Und doch hat er alles geschafft, was man im Leben schaffen kann. Denn als Kabarettist, Satiriker, Filmemacher und grosser Bayer ist er bis über die Landesgrenzen von Bayern in der Welt bekannt geworden. Heute feiert der gebürtige Münchner und „leidenschaftliche Herumwohner“ seinen 75. Geburtstag.

Geboren in München verbringt er seine Kindheit im Wallfahrtsort Altötting. Heute ist die Metzgerei, neben der Polt damals aufwuchs, ein Dönerladen. Dass sich die Dinge auf der Welt verändern, weiss er – und fasziniert ihn. Dem Lauf der Zeit gelassen zu begegnen, ist seine Strategie. Dass muss wohl so sein, wenn man bereits im Kindesalter mit dem Tod konfrontiert wird. „Ich habe als Kind in Altötting am Friedhof gewohnt. Da sieht man dann einen Schuhkarton, in dem eine Säuglingsleiche liegt. Dann kommt eine Fliege und setzt sich auf das Gesicht. Dieses Kommen und Gehen: faszinierend“, erklärte Polt einmal im Interview mit dem „Spiegel“.

Nachdem der Vater aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, zieht Familie Polt 1951 wieder ins grosse München. 15 sei er da gewesen, so Polt im „Spiegel“-Interview. Und bereits jetzt entwickelt sich seine wohl beste Fähigkeit: die Geschichten, die andere erzählen, wie ein Schwamm aufzusaugen.

„Als ich ein Bub war, gab es im Wirtshaus die irrsten Erzählungen zu hören. Phänomenal. Da waren ja viele Kriegsveteranen und Kriegsinvaliden – und da wollte jeder das Erlebte vom anderen übertreffen“, so Polt im „Münchner Merkur“. „Da zeigte der eine seinen Beinstumpf und erzählte, wie’s ihm den Fuss weggefetzt hat. Wenig später stand einer auf und sagte: ‚Das ist ja gar nix. Schau mal meine Granatwunden am Buckel an!‘ Grausig, aber grossartig. Da war immer was los.“

Der Chronist Bayerns

Wenn Gerhard Polt heute in Interviews darüber redet, wie er Geschichten aufschnappt, stellt sich allerdings ein wenig das Gefühl einer „Früher war alles besser“-Mentalität ein. „Die Gaudi“, die heute erzählt werde, basiere immer weniger auf den Erfahrungen des einzelnen, erklärt der Kabarettist im Gespräch mit der „Passauer Neuen Presse“ anlässlich seines 75. Geburtstages. „Meistens reden die Leute über Sachen, die sie im Fernsehen gesehen haben oder was sie wo gehört haben. Das sind Second-hand-Erzählungen und nix eigenes.“

Dabei sind Geschichten von ganz normalen Menschen aus dem alltäglichen Leben genau das, von dem Gerhard Polt als Kabarettist, Satiriker und Filmemacher lebt. Er sehe sich selbst als der Chronist Bayerns, wie er einmal dem „Münchner Merkur“ sagte. „Ich will das alte Bayern am Leben erhalten. Ich stehe nicht auf der Bühne, weil ich diese brauche. Oder weil ich den Applaus spüren muss.“ Wenn ein Gerhard Polt so etwas sagt, dann glaubt man ihm das. Denn verstellt hat er sich nie. Auch nicht seine Sprache.

Ja, sein bayerischer Dialekt ist sogar zu einem Instrument geworden, über das sich seine Satire definiert. Und das aus gutem Grund, wie er einmal im Interview mit dem „Spiegel“ darlegte: „Das Bayerische benutzt ja nachweislich mehr Irrealis und Konjunktive als jede andere Sprache. Deswegen ist es geeignet, bestimmte Dinge sagen zu lassen, die man eigentlich nicht sagen kann.“

Deswegen nimmt man es Polt nicht übel, wenn er zum Beispiel in „Fast wia im richtigen Leben“ die Vor- und Nachteile von im Katalog gekauften asiatischen Ehefrauen anpreist. Schonungslos ehrlich ist das, manchmal tut es richtig weh. Aber böse sein kann man ihm deswegen nicht.

Grosse Worte macht der Mann, der oft in einem Zug mit Karl Valentin genannt wird, um seinen halbrunden Geburtstag nicht. „Wir sind ein kleiner Kreis von Leuten, die entschieden sind, dass sie wahrscheinlich sowohl ein Getränk wie auch eine Speise zu sich nehmen“, ist alles, was die „Passauer Neue Presse“ über die Feierlichkeiten aus ihm herauslocken konnte. Aber mehr hätte ein echter Bootsverleiher wohl auch nicht gesagt.

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