Schweiz-„Tatort“: Ein Krimi in Echtzeit? Das hat Konsequenzen!

Experiment gelungen! Filmemacher Dani Levy hat den Schweiz-„Tatort“ mit nur einer Einstellung („One Shot“) inszeniert. So extrem war das für Kameramann, Cast und Co.

Der „Tatort: Die Musik stirbt zuletzt“ von Regisseur Dani Levy (60, „Alles auf Zucker!“) ist an einem Stück gedreht worden, keine Unterbrechungen, keine Schnitte. Eine grosse Herausforderung für Cast und Crew, denn Ablauf und Szenen mussten präzise geplant und intensiv geprobt werden.

„One Shot“-Filme

Dieser Krimi ist allerdings nicht der erste Film, der in einer Einstellung als sogenannter „One Shot“ gedreht wurde. „Seit Jahrzehnten sind Filmemacher fasziniert von dieser Idee“, erklärt Regisseur Dani Levy. „Schon [Alfred] Hitchcock [1899-1980] experimentierte 1948 in ‚Rope‘ mit der Illusion des ‚One Shot‘. Da die Filmrollen damals jedoch nur maximal zehn Minuten Aufnahme erlaubten, musste er am Ende jeder Rolle tricksen.“

Den ersten abendfüllenden Spielfilm in einer Einstellung drehte der vielfach ausgezeichnete (zuletzt Europäischer Filmpreis für das Lebenswerk, 2017) russische Regisseur Alexander Sokurov (67) mit „Russian Ark“ (2002). „Durch die digitale Technik wurde möglich, was bisher nur gefakt war“, so Levy weiter.

Restlos überzeugt hatte den Schweizer Filmemacher dann aber offenbar der aufsehenerregende Kinofilm „Victoria“ (2015) von Sebastian Schipper (50, Ex-„Tatort“-Ermittler). Der deutsche Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur habe dazu die „neuen, wesentlich leichteren Digitalkameras“ genutzt, und so sei der Film „die bislang entfesseltste und radikalste Form eines ‚One Shots'“. Als er den Film auf der Berlinale gesehen habe, sei Levy „von dem starken Gefühl des ‚cinema vérité‘ (‚Kino der Wahrheit‘)“ begeistert gewesen. „Auch ohne cineastisches Bewusstsein ist das Live-hafte und Authentische spürbar“, schwärmt er weiter.

Ermüdende Hirnleistung

Eine ganz besondere Leistung ist der „One Shot“-Krimi vom Schweizer Kameramann Filip Zumbrunn (49) gewesen. Er hatte allerlei Herausforderungen zu meistern. Die schwierigste Aufgabe aus technischer Sicht war „eine Kamera-Konstellation zu erfinden, die von der Qualität her ausreichend und von der Grösse und dem Gewicht her so klein und leicht wie möglich war“.

Mental sei die grösste Herausforderung dagegen gewesen: „Den kompletten 90-minütigen Film mit allen Dialogen, Bewegungen und Abläufen im Kopf gespeichert zu halten“, fasst Zumbrunn weiter zusammen. „Diese Hirnleistung war erstaunlicherweise viel ermüdender als die körperliche Leistung.“

Doch auch körperlich musste er sich auf den Dreh vorbereiten: „Von der physischen Seite her musste ich mich natürlich mit Training und Physio-Übungen fit halten und besonders die Unterarme stärken, damit ich die Kamera 90 Minuten lang halten konnte“, sagt Zumbrunn. An den konkreten Drehtagen – der ganze Film wurde viermal komplett am Stück durchgedreht – hatte er dann vor allem auch seinen Flüssigkeitshaushalt im Blick, „um nicht mitten im Dreh auf die Toilette gehen zu müssen“, erinnert er sich an die ganz profanen Dinge.

Ob er bei dieser Meisterleistung wohl auf den Geschmack gekommen ist? Es sei eine fantastische Erfahrung gewesen, einen langen Film ohne Schnitt zu drehen, „aber vielleicht ist ein solcher Film auch genug für ein Leben“, gibt Zumbrunn zu.

Videoclips in einer Einstellung

Grosse Anziehungskraft hat der „One Shot“ auch immer wieder auf Künstler aus dem Musik-Business. Videoclips werden gerne mal mit einer Einstellung aufgenommen. Unter anderem setzten schon diese Musiker auf die Technik: Madonna („Love Don’t Live Here Anymore“, 1996), Spice Girls („Wannabe“, 1996), Smashing Pumpkins („Ava Adore“, 1999), Coldplay „(Yellow“, 2000), Kylie Minogue („Come Into My World“, 2001), Wir sind Helden („Nur ein Wort“, 2005), Linkin Park („Bleed It Out“, 2007), Miley Cyrus („Start All Over“, 2007) oder Bruno Mars („The Lazy Song“, 2011).

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