Warum Vegetarier und Veganer „ein glückliches Leben“ führen

Immer mehr Menschen können sich ein Leben ohne Fleisch vorstellen. Warum Vegetarier und Veganer fleischlos glücklich sind, verrät Ernährungsexpertin Dr. Petra Bracht im Interview.

Die derzeitige Kritik an der Fleischindustrie lässt die Menschen ihren Konsum von tierischen Produkten überdenken. Stattdessen wird eine fleischlose Ernährung immer attraktiver. Dr. med. Petra Bracht ist Ernährungswissenschaftlerin und präferiert seit Jahren rein pflanzliche Kost. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät sie, welche Vorteile ein fleischloses Leben mit sich bringt, wie sich ein erhöhter Fleischkonsum auf die Gesundheit auswirkt und warum Veganer und Vegetarier ein „glückliches und zufriedenes Leben“ führen.

Viele Verbraucher überdenken derzeit ihren Fleischkonsum. Welche gesundheitlichen Nebenwirkungen hat eine fleischreiche Ernährung?

Dr. med. Petra Bracht: Auch wenn es viele Menschen nicht hören wollen, es sind leider sehr viele. Zuerst einmal schwächt es immens das Immunsystem. Das Fehlen von Ballaststoffen, die für ein gesundes Mikrobiom unerlässlich sind, ist der Hauptgrund. Ausserdem ist Fleisch durch den hohen Fettanteil für die Entstehung von Übergewicht und den daraus folgenden Erkrankungen wie Altersdiabetes, Herzkrankheiten und auch verschiedene Krebserkrankungen mitverantwortlich. Bereits kleine Mengen an Fleischkalorien, sowohl durch rotes als auch weisses Fleisch, führen zu vermehrtem Bauchfett und dadurch zu Dauerentzündungen und stetiger Gewichtszunahme.

Sollte man Fleisch künftig vollständig vom Speiseplan streichen?

Bracht: Wenn man sich für eine rein pflanzliche Ernährung entscheidet, wäre das sicherlich perfekt, nicht nur für die Gesundheit jedes Einzelnen, sondern auch für die Gesundheit dieser Erde. Aber kleine Ausnahmen von bis zu fünf Prozent der verzehrten Nahrung verkraftet der gesunde Körper ohne Probleme. Nur ein kranker Körper sollte strikt auf Fleisch verzichten, um schnellstmöglich zu genesen. Bereits eine Reduktion von dreimal täglich auf einmal täglich wäre ein Fortschritt.

Es zeigen sich also schon nach nur wenigen Tagen ohne Fleisch erste Effekte?

Bracht: Bereits nach 24 Stunden Verzicht auf Fleisch verändert sich die Darmflora hin zur besseren und gesünderen Bakterienvielfalt. Das hat sofort positive Auswirkungen auf das Immunsystem. Die Verdauung verbessert sich, die Schlafqualität nimmt zu, chronische Entzündungen heilen ab, wie beispielsweise bei rheumatischen Erkrankungen, das Bauchfett weicht und auch die chronische Müdigkeit verabschiedet sich langsam. Selbst der erhöhte Blutzucker verbessert sich. Viele Patienten berichten von einer zunehmenden neuen Leichtigkeit – körperlich wie psychisch.

Welche Vorteile bietet eine fleischlose Ernährung ausserdem?

Bracht: Der „fleischlose“ Mensch lebt etwa zehn Jahre länger, erkrankt wesentlich seltener an den modernen Zivilisationskrankheiten, ist selten durch Übergewicht geplagt und ausserdem psychisch stabiler. Interessanterweise verfügt er über deutlich mehr Energie und kristallklares Denken. Meist raucht er automatisch weniger beziehungsweise gar nicht und ist insgesamt gesundheitsbewusster, was durchaus Sinn macht. Denn Gesundheit ist die Voraussetzung für ein glückliches und zufriedenes Leben.

Inwieweit wirkt sich eine fleischlose Ernährung auf die Psyche aus?

Bracht: Da das Immunsystem zu etwa 80 Prozent im Verdauungstrakt beheimatet und eng mit unserem Gehirn verknüpft ist, ist der Einfluss sehr gross. Denn ein gesundes Mikrobiom produziert wesentlich mehr Glückshormone im Darm als ein krankes. Generell optimiert sich die gesamte Hormonproduktion also nicht nur im Gehirn, sondern auch im Darm. Gerade bei psychischen Problemen wie Angstzuständen, Stimmungsschwankungen, aber auch Stress, ist eine überwiegend pflanzliche Ernährung eine wesentliche Basis, um die Ursachen der psychischen Symptome auf der körperlichen Ebene zu durchbrechen.

Viele sorgen sich bei einer vegetarischen beziehungsweise veganen Ernährung darum, nicht ausreichend Nährstoffe wie Proteine zu sich zu nehmen – eine berechtigte Sorge?

Bracht: Nein. Die pflanzliche Ernährung bietet ein breites Spektrum an besten Eiweisslieferanten, ohne die ganzen Nebenwirkungen, die durch Fleisch entstehen. Hervorrangende Eiweissquellen sind Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, Soja, Lupine, die wertvollen Nüsse, aber auch Vollkorngetreide. Dass Fleisch der optimale Eiweisslieferant sein soll, ist ein häufig noch festverankerter Mythos, der allerdings durch jegliches qualifiziertes Ernährungswissen ad absurdum geführt wird.

Auf was muss man bei einer fleischlosen Ernährung besonders achten?

Bracht: Genau wie bei der Mischkost, ist darauf zu achten, dass wir uns abwechslungsreich ernähren. Täglich eine Portion Obst, Gemüse, Salate, Hülsenfrüchte, Nüsse, Kräuter und Gewürze sorgen für eine optimale Versorgung mit allen notwendigen Nährstoffen. Bis auf Vitamin B12, das von Veganern immer substituiert werden muss.

Sind Fleischersatzprodukte wie Tofu eine gute oder vielleicht sogar bessere Alternative zum Fleisch?

Bracht: Tofu eignet sich hervorragend als Fleischersatz. Allerdings liegt es auch wie beim Fleisch daran, wie es gewürzt, mariniert und zubereitet wird. Selbst die fertigen Fleischersatzprodukte sind durchaus eine Alternative, um den Weg in die Pflanzenkostwelt zu erleichtern.

Infos zu Petra Bracht

Petra Bracht spezialisiert sich seit mehr als 30 Jahren auf die Bereiche Ernährung und Schmerzen. Ihr Werk „Klartext Ernährung“, das sie gemeinsam mit Claus Leitzmann, emeritierter Professor der Ernährungswissenschaften, verfasst hat, ist gerade erschienen – mit einem Plädoyer für fleischlose und rein pflanzliche Ernährung.

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