Robert Harris: „Die Trump-Story ist zu bizarr für einen Roman“

118 alte Männer wählen einen neuen Papst – aus dieser Geschichte hat Robert Harris einen spannenden Roman gemacht. Wie die Kirche auf sein „Konklave“ reagiert hat und was der britische Bestsellerautor über Trump und den Brexit denkt, verrät er im Interview.

Ein toter Papst und viele Kardinäle, die um seine Nachfolge kämpfen. In seinem neuen Roman „Konklave“ schildert der britische Bestsellerautor Robert Harris (59), was hinter den Kulissen einer Papstwahl passieren kann. Im Interview erklärte er, was sein Papst mit Franziskus zu tun hat und ob Brexit und Trump Stoff für neue Thriller abgeben.

In Ihrem neuen Roman „Konklave“ spielen auch Persönlichkeiten wie Joseph Ratzinger alias Benedikt XVI. eine Nebenrolle.

Robert Harris: Ja, die gibt es darin. Vor allem aber habe ich erzählt, was bei einem Konklave wirklich passiert, und Figuren herum erfunden, die in diese Wahl involviert sind. Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft, der Papst stirbt und es gibt einen Wettstreit unter den Kardinälen, wer ihm nachfolgt. Mein Hauptcharakter ist Kardinal Lomeli, der das Konklave leitet. So war es auch bei Kardinal Joseph Ratzinger, bevor er zum Papst gewählt wurde. Lomeli hat zwar dieselbe Rolle, sonst ist er aber ganz anders als Ratzinger.

Es geht in „Konklave“ um 118 alte Männer, die einen neuen Papst wählen. Wann kamen Sie auf die Idee, darüber ein Buch zu schreiben?

Harris: Das hatte ich schon einige Jahre im Hinterkopf. Ich habe die Konklaven 2005 und 2013 verfolgt. Nach der Wahl sind mir die Gesichtsausdrücke der Kardinäle aufgefallen, als sie dem neugewählten Papst zugesehen haben, und ich habe mich gefragt: Was ist das für ein Prozess, durch den sie gegangen sein müssen? Und ob es sich anbietet, einen Roman darüber zu schreiben – falls es denn da etwas gibt, was über Gebete hinausgeht. Als ich die Cicero-Trilogie beendet hatte, habe ich recherchiert und sofort gemerkt, dass es eine natürliche Dramatik darin gibt. Wahlen sind an sich interessant, diese allerdings in besonderem Masse: Gott spielt eine Rolle und die Umgebung ist aussergewöhnlich.

Und das haben Sie sich alles vor Ort im Vatikan auch angesehen?

Harris: Ich musste die Orte sehen, die in dem Buch vorkommen. Ich schrieb an den Vatikan und erzählte ganz offen, was ich vorhatte. Die Casa Santa Marta, das Gästehaus im Vatikan, die Sixtinische Kapelle, und all die anderen Schauplätze wollte ich besuchen und die Strecken ablaufen. Zu meiner grossen Überraschung kam schnell eine Antwort und die fiel auch noch positiv aus. Vor Ort bekam ich nicht nur eine Führung, ich konnte sogar mit einem Kardinal sprechen. Es ist zwar alles sehr geheim, aber einiges habe ich in Erfahrung gebracht. Es gibt zudem Aufzeichnungen eines Kardinals aus dem Konklave 2005, die anonym in Italien veröffentlicht wurden.

Die katholische Kirche steht für Nächstenliebe und Demut. In Ihrem Buch kämpfen einige Kardinäle mit Intrigen und harten Bandagen darum, Papst zu werden…

Harris: Niemand kann offen eine Kampagne für das Papstamt fahren. Das würde ihn disqualifizieren. Einige Männer denken aber wohl insgeheim, es sei ihre Bestimmung, Papst zu werden. Johannes Paul II. gehörte wahrscheinlich zu ihnen. Es gibt also diesen Kontrast – sogar örtlich: Die geistige Seite des Konklaves findet in der Sixtinischen Kapelle statt, die weltliche in Casa Santa Marta.

Gab es auf das Buch Reaktionen aus der Kirche?

Harris: Ich habe dem Kardinal, der mir geholfen hat, das Buch geschickt und war ziemlich nervös deswegen. Zurück kam ein netter Brief, in dem er erklärte, dass er es sehr genossen habe. Und dass Kardinal Lomeli ein Kardinal ist, wie sie gerne alle einer sein würden.

Einige Leser scheinen mit dem Ende des Buchs nicht einverstanden zu sein…

Harris: Ich wusste, dass das riskant wird. Ich hätte es auch nicht auf diese Weise beenden müssen. Aber ich dachte, es ist genau das, worum es in dem Roman geht. Das ist kein „billiges“ Ende. Es geht um die Kirche in einer sich verändernden Welt. Es gibt Hinweise und das Thema des Buchs deutet auf das Ende hin.

Sie weisen in dem Buch daraufhin, dass der verstorbene Papst darin nichts mit dem realen Pontifex zu tun hat. Einige Gemeinsamkeiten scheint es aber doch zu geben.

Harris: Es macht natürlich wenig Sinn, ein Buch wie dieses zu schreiben und das Ganze komplett zu verändern. Die Kirche wird nach dem hoffentlich noch weit entfernten Tod von Papst Franziskus dieses Vakuum füllen müssen. Einen Roman mit einem komplett anderen Papst zu schreiben, wäre daher nicht richtig gewesen. Seine Zeit als Papst wird tiefgreifend sein. In einer Institution, die er selbst anführt, scheint Franziskus ein Aussenseiter zu sein. Ich habe dem toten Papst in meinem Buch also ein paar Ähnlichkeiten mitgegeben, aber ich will nicht, dass die Leute denken, es sei in dem Buch Franziskus gewesen, der stirbt. Das wäre geschmacklos.

Wie beurteilen Sie Franziskus als Papst bisher?

Harris: Er bewegt sich auf einem schmalen Grat. Er vertritt, was die Kirche lehrt, und lebt zugleich in der realen Welt. So geht es auch Lomeli in dem Buch. Es ist eine unglaublich schwere Zeit für dir Kirche und ich denke, es wird noch schwieriger. Die gleichen Kräfte, die dieses Jahr die Politik bereits so zerrissen gemacht haben, werden sich auch gegen die Kirche wenden, Social Media, die Globalisierung von Informationen usw.

Macht und Politik sind immer Themen in Ihren Büchern gewesen. Nach Brexit und der Trump-Wahl haben Sie genügend Stoff für ein paar Thriller, oder?

Harris: Brexit ist zu deprimierend und Trump ist zu bizarr, sogar für eine erfundene Geschichte. Wir müssen sehen, was die Zukunft bringt. Aber es ist natürlich eine aufregende Zeit für jemanden wie mich, der Romane über Macht und wie sie funktioniert, schreibt. Es gibt grosse interessante Themen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr.

Wie haben Sie persönlich diese zwei Abstimmungen erlebt?

Harris: Ich war von beiden schockiert. Weniger überrascht waren wahrscheinlich die Befürworter des Brexit und Trump selbst. Es gibt unterschwellig offenbar eine grosse Wut und die Leute wollen nicht länger darauf hören, was Medien und Experten ihnen sagen. Ein Demagoge führt die Massen gegen die Eliten – das ist genau das, was am Ende der Römischen Republik passiert ist. Das ist eine schwierige, gefährliche Zeit.

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